Jedermann als tragischer Held

Zum Tode des Bonner Schauspielers Justus Fritzsche

Jedermann als tragischer Held
Foto: Beu

Bonn. Sein Bonner Debüt 1994 absolvierte er in Moliéres "Tartuffe". Der Regisseur Sewan Latchinian hatte den Klassiker als Spaß-Stück inszeniert. Justus Fritzsche schwankte in der Rolle des Orgon zwischen Sanftmut und Zorn, so wie Latchinian zwischen Scherz, Satire und Ironie schwankte.

Fritzsche, so wollte es scheinen, lag der Sanftmut mehr als der Zorn. Er war ein Schauspieler der leisen, aber intensiven Töne, der sparsamen, aber ausdrucksstarken Gesten. Was er in seinen Rollen auch immer transportierte, war ein Hang zu Reflexion, manchmal auch Schwermut. Ihm war es in jeder Hinsicht ernst mit dem Theater.

Fritzsche, am 1. Januar 1941 geboren, wuchs in der DDR auf. Viele Jahre arbeitete er am Staatsschauspiel Dresden und wirkte auch in Defa-Filmen mit. Danach wechselte er an das von Peter Eschberg geleitete Frankfurter Schauspiel.

1994 kam er nach Bonn, wo er schnell fest ins Ensemble aufgenommen wurde. Der auf fast schon altmodische Weise liebenswürdige Fritzsche gehörte zu den festen Größen der Ära Beilharz. Er war Mackie Messer in der "Dreigroschenoper" und Herr Schultz in "Cabaret".

Fritzsche, hieß es in der Premieren-Kritik im General-Anzeiger, "braucht nur ein oder zwei Sätze, um einen Menschen zu formen. Da steht er vor uns, der ungelenke Herr Schultz, der viele unendlich liebenswerte Anläufe braucht, um seinem Fräulein Schneider näher zu kommen." In "Hedda Gabler" war er als Richter ebenso präsent wie als Pastor Spitta in Hauptmanns "Ratten".

Unvergessen bleibt Justus Fritzsche als Arthur Millers Willy Lomann: Jedermann als tragischer Held. Als Loman rief er immer wieder utopische Entwürfe und Wunschträume auf, um den Druck der realen Verhältnisse aushalten zu können.

Fritzsche erkannte das tragische Potenzial des kleinen Mannes, er gestand seiner Figur Momente der Erkenntnis zu, vor deren verstörender Kraft Loman sich in feindselige Gesten oder in Erinnerungen und Fantasien flüchtete. Die Lebenslüge brauchte er so nötig wie eine Droge.

Am 26. Juli ist Justus Fritzsche, wie jetzt bekannt wurde, in Frankfurt am Main gestorben. Er wurde 62 Jahre alt.

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