Bonner Oper Jubel für Premiere von Lohengrin in Bonn

Bonn · Regisseur Marco Arturo Marelli zeigt die Oper von Wagner als eine Melange von Mythos und Machtgier. Der rote Faden ist das programmierte Scheitern eines Künstlers.

 Im Bann des Schwanenritters: Anna Princeva als Elsa und Mirko Roschkowski in der Titelpartie in einer Szene aus dem Bonner "Lohengrin".

Im Bann des Schwanenritters: Anna Princeva als Elsa und Mirko Roschkowski in der Titelpartie in einer Szene aus dem Bonner "Lohengrin".

Foto: Thilo Beu

Der Erfolg von "Lohengrin" in der Bonner Oper beginnt schon mit dem Vorspiel: Nicht nur, weil die Geigen die sphärischen Höhen des Gralsmotivs völlig zitterfrei aus dem Orchestergraben steigen lassen. Sondern auch, weil schon während dieses Vorspiels der Vorhang aufgeht und Regisseur Marco Arturo Marelli in einer kleinen Prologszene vieles von dem, worum es in der Wagner-Oper geht, vorwegnehmend zusammenfasst. Elsa und Gottfried knien betend neben ihrem Bett.

Doch während sich der jüngere Bruder bald einem Bilderbuch zuwendet, steigert Elsa ihre Andacht bis zur Vision des Schwanenritters, der ihr allerdings nur seine Rückenansicht gönnt: an einem Flügel sitzend, spielend und Noten aufschreibend. Lohengrin und Wagner, hier werden sie eins; der Komponist selbst hat seine Identifikation mit der mythischen Künstlerexistenz des Gralsritters oft genug ausführlich dargelegt. Während Elsa in ihrer Verzückung schwelgt, schleicht Ortrud herbei, entführt Gottfried und verwandelt ihn in den Schwan, der wenig später Lohengrins Bötchen zieht.

Der Grundton ist vorgegeben. Inmitten der heiklen Melange von Mythos und Machtgier, Christentum und Götterdämmerung, Deutschtümelei und Liebesgeschichte findet Marelli seinen roten Faden im programmierten Scheitern eines Künstlers, der um der Liebe willen einen Fuß vor die Tür seines Elfenbeinturms setzt. Wobei Lohengrin billig davonkommt - er reist einfach ab, während die Frau, deren visionäre Kraft die ästhetische Utopie überhaupt erst möglich gemacht hat, am Ende wie ihre Gegenspielerin Ortrud und so viele andere Opernheldinnen entseelt zu Boden sinken muss. Starke Frauen dürfen auch bei Marelli nicht überleben.

Die Inszenierung bleibt auf der sicheren Seite. Lebendig wird der Bonner "Lohengrin" durch das raffiniert schlichte Chiaroscuro der Bühne, vor dem sich die inneren Konflikte der Figuren um so effektvoller abheben. Elsas Bett bleibt bis zum Ende im Mittelpunkt des Geschehens; es steht auf einer hellen Fläche, die von schrägen, wie Eisschollen gestapelten Podesten eingekreist ist. Hier gruppieren sich Solisten und Chöre immer wieder in neuen Konstellationen, die dank des virtuosen Spiels mit Licht und Schatten niemals statisch wirken. Dunkle Farben und Weiß dominieren das Bild - nur der christliche König Heinrich und die heidnische Fürstin Ortrud dürfen mit bunten Prachtgewändern prunken.

Spere, Lanze und Wehrmachtsuniform

Den größten Effekt hebt sich Marelli für den dritten Akt auf: Lange Stahlspeere ragen aus dem Schnürboden, und während Trompeten von der Seite und von hinten und von allen Balkonen zum Kampf blasen, fällt eine Lanze nach der anderen herab und bohrt sich senkrecht in die Bühne, auf der gleich drauf Heinrichs Truppen in Wehrmachtsuniform und Stahlhelm aufmarschieren. Wenn sie dann auch noch "Heil!" schmettern und dabei einen Arm emporstrecken, ist das einzige offen politische Bild der Inszenierung komplett.

So martialisch Dirk Kaftan das glänzend disponierte Beethoven Orchester Bonn (BOB) hier in die Schlacht führt, so zart fächert er an anderer Stelle den Wagnerschen Klangzauber auf. Auch in diesen so verletzlichen Passagen ist das BOB perfekt zusammen. Kaftan treibt an, spinnt große Bögen und zwingt mit aufregenden Details zum genauen Hinhören. Ob krachendes Blech, volkstümliches Geschunkel oder zarte Liebeslyrik, nie gehen hörbare Spielfreude und Impulsivität zu Lasten von technischer Sicherheit und Präzision.

Die Sänger können mithalten: Anna Princeva gestaltet die Elsa mit großer emotionaler Intensität. Wenn sie sich bei der ersten Begegnung mit Lohengrin mädchenhaft verspielt ziert, bevor sie seine Hand ergreift und in der Spiegelszene vor der Hochzeit wieder zögert, zweifelnd diesmal, dann weiß jeder, wo das hinführt. Princevas klarer Sopran macht jede Wandlung mit, obwohl er in den dramatischen Höhen nicht ohne Schärfe auskommt.

Die Stimme des Abends gehört Dshamilja Kaisers

Mirko Roschkowskis heller Tenor steht dem Schwanenritter hervorragend, seine Piano-Einsätze sind nicht von dieser Welt, und in der Gralserzählung kann er den lyrischen Schmelz seiner Stimme voll entfalten. Der kernige Bass von Pavel Kudinov ist eines Königs würdig, Bariton Tómas Tómasson ist ein glaubwürdiger Telramund, weil er nicht nur schurkisch agieren, sondern auch dreckig singen kann.

Aber die größte Stimme des Abends gehört der stolzen Ortrud. Dshamilja Kaisers wunderbarer Mezzosopran ist bei jedem Fluch und Racheschwur unangestrengt da, voll und rund und schön. Was die in "Lohengrin" stark geforderten Chöre angeht, so überzeugen sie in jeder Lage. Das gilt besonders für die teils achtstimmig einsetzenden Männer, aber auch für den aus der Ferne kommenden Hochzeitschor und den überaus präsenten Kurzauftritt des Kinder- und Jugendchors. Lang anhaltender Jubel.

Die nächsten Vorstellungen: 11. und 24. November, 21. und 26. Dezember

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