Lampenlager in Beuel Jugendclub spielt "Spiegelland"

BEUEL · Wer bin ich, und wer möchte ich sein? Schwierige Fragen - besonders wenn man am nächsten Tag achtzehn und damit offiziell erwachsen wird. Alice fürchtet sich ein wenig davor, bald alle Entscheidungen selbst treffen zu müssen.

 Poetische Bilder: "Spiegelland" im Lampenlager

Poetische Bilder: "Spiegelland" im Lampenlager

Foto: Lilian Szokody

Der Freund denkt nur an sein Handballtraining, die kleine Schwester will Hilfe bei den Hausaufgaben, die letzte Klausur lief nicht gut, die Eltern nerven auch. Alice hockt sich also schmollend in die Ecke und schläft über ihrem Buch ein. Gitarre und Gesang einer weiß gekleideten Begleiterin entführen sie in das "Spiegelland" hinter dem Bühnen-Schleier, wo eine kokette Blumenschar sie in Empfang nimmt.

Ein rennender Reiter bringt sie auf Trab. Herren mit Hüten und mit geheimnisvollen Wörtern in Koffern marschieren auf. Ein Zug fährt ab, alle haben Luftballon-Tickets, die der Schaffner zerplatzen lässt. Nur Alice hat kein Reisedokument und soll an jeder Station eine Rückfahrkarte kaufen.

Bei einer skurrilen Teegesellschaft gibt es keinen Tee und bei anderen Begegnungen leere oder unverständliche Versprechungen. Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" und "Alice hinter den Spiegeln" lieferten die Motive für diese komisch-bedrohliche Traum-Reise, die die Theaterpädagogin Britta Sensenschmidt mit dem Jugendclub des Theaters Bonn im Lampenlager auf dem Gelände der Halle Beuel inszeniert hat.

Gemeinsam mit 23 Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren hat sie sich auf den Weg gemacht in die merkwürdige Parallelwelt mit ihren lebendigen Schachfiguren und merkwürdigen Fantasiegestalten. Natürlich erscheinen auch der Goggelmoggel, die enantiomorphen Zwillinge und die schillernden schwarzen Königinnen.

Hinten leuchtet ein weißes Bäumchen, an einer weißen Wand öffnen sich Türen, Fenster und Schubladen (Bühne: Carla Friedrich). Nicht immer passen die Schlüssel, seltsame Dinge und Menschen tauchen auf. Alice ist ständig zu groß und zu klein für dieses Spiel, naiv unsicher, desorientiert und verwirrt von den verrückten Verwandlungen.

Für die märchenhaften Kostüme hat Caroline Martiny tief in den Theaterfundus gegriffen. Darin liegt die Stärke dieser szenischen Arbeit: Mit viel Bewegung und poetischen Bildern entwickelt sie eine Vorstellung von dem komplizierten Moment des Erwachsenwerdens, wo das eigene Spiegelbild zum Rätsel wird. Ist man drinnen oder davor?

"These Boots are Made for Walking" intoniert kurz der junge Mann am Klavier. Die erwachte Alice wird also an ihrem Geburtstag mutig sich selbst im Spiegel anschauen. "Life, what is it but a Dream?", heißt es in einem Gedicht von Lewis Caroll.

Aus der verträumten Alice muss ja nicht gleich Beyoncé werden. Eine liebenswürdige, leise nachdenkliche Inszenierung abseits von lauten Mainstream hat das große jugendliche Ensemble in einer kurzweiligen Stunde jedenfalls präsentiert und wurde dabei im Lampenlager mit langem Premierenbeifall belohnt.

Info: Nächste Vorstellungen am 2./6./12. und 19. Juni jeweils um 19.30 Uhr im Lampenlager. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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