Lanxess-Arena in Köln Justin Timberlake kann alles

KÖLN · Schon vor dem Konzert kreischen Fans so aufgeregt, als müsse Justin Timberlake jeden Moment auf der Bühne erscheinen. Es werden noch dreißig Minuten vergehen, bis er sie von ihrem ungeduldigen Warten erlösen wird.

 Superstar in Bewegung: Justin Timberlake (vorne links) im Kölner Konzert.

Superstar in Bewegung: Justin Timberlake (vorne links) im Kölner Konzert.

Foto: Thomas Brill

Als es soweit ist, erscheint die Silhouette eines Streichorchesters hinter dem Bühnenvorhang, spielt den Opener "Pusher Love Girl" zu Beginn süßlich wie in einem Hollywood-Film.

An dieser Stelle glaubt man, der Star des Abends müsse, wie in großen Shows üblich, in der mit 15 000 Zuhörern ausverkauften Halle eine lange Treppe heruntersteigen. Aber Justin Timberlake erscheint im gut geschnittenen Anzug alleine in der Mitte der oberen Bühne.

Eine Szene, die die Essenz des Konzerts zusammenfasst: Timberlake ist der Fixpunkt einer zweistündigen, großartig inszenierten amerikanischen Show; ein Superstar und gleichzeitig ein Star zum Anfassen, der im zweiten Teil des Konzerts eine riesige flügelartige Bühne über die Köpfe des Innenraums ziehen lassen wird, um jedem einzelnen Zuhörer an diesem Abend nahe zu sein.

Jetzt aber steht er noch auf dem oberen Teil der festen Bühne, schaut nach allen Seiten, um sich im Schein der tausend gezückten Handys gerade so lange feiern zu lassen, dass die Pose des Superstars nicht peinlich wird. Er ruft das Motto des Abends in die Halle: "Let's get the party going"!

Es folgt der erste Teil einer rasenden Show, die am Ende bei "Cry Me A River" wie ein Wirbelsturm über die Arena hereinbricht. Die gesamte Choreografie scheint durcheinander geraten, niemand aus der 16-köpfigen Band ist mehr an seinem vorgegebenen Platz.

[kein Linktext vorhanden]Alle Ordnung ist aufgelöst, die Arena eingeschlossen. Timberlake beschließt den ersten Teil mit einer typischen Rockattitüde - umrahmt von seinen Gitarristen, die ihre Instrumente aufschreien lassen. Timberlake hat in diesem Moment gerade seine Anzugjacke weggelegt. Keine Schweißperle erscheint auf seinem Gesicht. Er wirkt so frisch wie zu Beginn der Show.

Er ist freundlich, witzig (er lernt extra das deutsche Wort "supergeil"), gut aussehend, gepflegt gekleidet und besitzt die lässige Nonchalance desjenigen, der weiß, was er kann. Und irgendwie kann er auch alles: singen, tanzen, produzieren, schauspielern. Sein Soul-Funk-Rap bündelt ein halbes Jahrhundert Soulgeschichte von Stevie Wonder über Prince und Michael Jackson zu Outkast. In seine Show mischen sich Las Vegas und die Choreografien der großen Soulbands der sechziger und siebziger Jahre.

Sieben Jahre waren nach seinem zweiten, hochgelobten Album "FutureSex/LoveSounds" vergangen. Eine tödlich lange Zeit. Aber Timberlake konnte es sich leisten. Mal eben so. In vier Wochen fertigte er mit der Hip-Hop-Produzenten-Ikone Timbaland den ersten Teil seines erst dritten Albums "20/20 Experience". Jay Z durfte auch mitsingen. Keines der Stücke weniger als fünf Minuten lang, und trotzdem reüssierten sie als Single-Hits. Im zweiten Teil gibt er ihnen in zum Teil neuen Arrangements gebührenden Raum. "Drink You Away" wird mit Akustik-Gitarre quasi zur Folk-Nummer umgedeutet.

In zwei Cover-Versionen gedenkt er Ikonen seiner Vergangenheit. "Heartbreak Hotel" von Elvis Presley, der wie er aus Memphis stammt, und "Human Nature" von Michael Jackson, der wie ein Stern über dem Konzert von Justin Timberlake strahlt. Wie Timberlake könnte Jackson heute klingen, hätte er wie jener unbeschädigt aus seiner Kindheit erwachsen können.

Zum Ende des Konzerts lässt Justin Timberlake seine Show zu einem dramatischen und bewegenden Höhepunkt überkochen. Mit "Suit & Tie", "Sexyback" und "Mirrors" wird die Arena ein einziges Meer schwenkender Arme. Justin Timberlake ist ein großartiger Entertainer, ein Superstar. Anders als sein Vorbild Michael Jackson hat er keine Botschaft. Er will "nur" unterhalten. Das gelingt ihm allerdings auf höchstem Niveau.

Das Kölner Publikum kann sich heute Abend auf ein weiteres Konzert in der Lanxess-Arena freuen!

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