Remagener Rheinhalle Kabarettist Horst Schroth - Im Rudel zur Toilette

REMAGEN · Fix und fertig hechtet Nikolaus Niehoff alias Horst Schroth auf die Bühne. Gerade eben noch hat er den 65. Geburtstag seines Freundes "Frankie" gefeiert - bis er feststellen musste, dass sein Auto ausgebrannt ist. Und mit ihm sind Brieftasche, Laptop und i-Phone abgebrannt, verschmort, abgefackelt.

 Horst Schroth: "Was weg ist, ist weg."

Horst Schroth: "Was weg ist, ist weg."

Foto: Martin Gausmann

Die gelebte Biografie eines "Gut-Sechzigers", dessen komplette Identität - alles weg. "Was weg ist, ist weg" ist der Titel des achten Soloprogramms, mit dem der 65-jährige Vollblutkabarettist seit gut zwei Jahren auf Deutschlands Bühnen unterwegs ist und am Samstagabend auch in der Remagener Rheinhalle zu erleben war.

In dem von Kult-Regisseur Ulrich Waller inszenierten Ein-Mann-Stück geht es vor allem um die Verwerfungen des Alters einschließlich aller damit verbundenen Ängste und Irrtümer. Dabei nimmt Schroth ebenso wortgewaltig wie pointenreich die Schickeria Hamburgs auf die Schippe. Futter liefert ihm die Festgesellschaft, die sich in "Herbis Weinstube" versammelt hat, um Fränkies 65. Geburtstag zu feiern.

Der Freund aus gemeinsamen Schultagen selbst dient als Prototyp der hansestädtischen 'Hautevolee'. Von der "begehbaren Brieftasche" über ein "gewulfftes" Penthouse mit Alsterblick bis hin zu zahllosen Ex-Freundinnen hat der erfolgreiche Notar von allem zu viel und lebt seit Jahr und Tag "knapp unter dem Existenzmaximum".

Zu allem Überfluss hat Fränkie sich auf den Lebenszeitrechner bei Focus online eingelassen. Trotz erheblich frisierter Angaben fällt die Prognose ernüchternd aus: Für Fränkie spuckt das Programm eine verbleibende Lebenszeit von "mickrigen" zehn Jahren aus. Panik bricht aus. Es gilt keine Zeit mehr zu verlieren. Die Zeit drängt. Sein "neuestes Projekt" ist Olga, eine 44 Jahre jüngere Russin ("eine ganz scharfe Schnitte"), die der lebenshungrige Beinahe-Ruheständler anbaggert, in der Hoffnung, sie möge ihm den Lebensabend versüßen.

Frankie und dessen Geburtstagsparty bilden den roten Faden des Abends, den Schroth nach ausholenden Abschweifungen und Umwegen zielsicher immer wieder aufnimmt. "Das muss ich jetzt schnell noch erzählen", leitet der elegant gekleidete und im Eiltempo sprechende Mann auf der Bühne meist seine thematischen Ausflüge ein.

Und so erzählt er von Fränkies Kurzzeit-Affäre mit der frauenbewegten Lila-Latzhosen-Wally, aus der Sohn Tommy hervorgegangen sei, von dessen Existenz er wiederum erst vor drei Jahren erfahren habe. Es folgen detailliert ausgearbeitete Psychogramme von Renate, Ralle, Friedhelm und anderen skurrilen Partygästen. Nebenbei erfährt man von Niks Plänen, eine Partnerbörse für alleinstehende Socken zu organisieren, warum Frauen nur im Rudel zur Toilette gehen und Männer im Stehen pinkeln.

Mit Inbrunst verkörpert Schroth, der gleich zweimal den Deutschen Kleinkunstpreis eingeheimst hat, den eloquenten Gentleman-Macho, der sich in unterhaltsamer Manier den Sorgen eines Mannes widmet, der fürs Leben ausgesorgt hat, eine Schar reicher Freunde um sich weiß und kein anderes Leben als das auf der Überholspur kennt. Ein handwerklich ausgefeiltes Programm wird von Horst Schroth ebenso professionell wie überzeugend gespielt, was aber über gelegentliche Längen nicht hinwegtäuschen kann.

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