Kurtheater in Hennef Kabarettistin Barbara Ruscher seziert mit skalpellscharfer Zunge

HENNEF · Panierte Tofuschnitzel, lactosefreien Latte-Macciato-Fundamentalismus und Betreuungsgeld als "Seehofer-IV für Akademikereltern": Die Pointen einer modernen Wohlstandsgesellschaft hat sich Barbara Ruscher einmal genau angeschaut.

 "Männer sind irgendwann weg, Fischstäbchen bleiben." Barbara Ruscher überzeugte mit provokanten Thesen.

"Männer sind irgendwann weg, Fischstäbchen bleiben." Barbara Ruscher überzeugte mit provokanten Thesen.

Foto: Thomas Heinemann

Am Freitagabend hielt die Kabarettistin aus Köln-Sülz, "da wo nur Akademiker mit Bioladenflatrate wohnen - und ich", im ausverkauften Kurtheater Hennef der Gesellschaft einen Spiegel vor, der vor allen Dingen eines war: schonungslos, ehrlich und sehr präzise.

"Panierfehler! Ein Fischstäbchen packt aus" lautete der Titel ihres Programms, in dem sie mal staubtrocken und präzise, mal lakonisch und dabei doch stets charmant den Patienten "Gesellschaft" als penible Chirurgin mit einer skalpellscharfer Zunge in seine Kleinteile zerlegte.

Da wären etwa die militanten Übermuttis aus Köln-Sülz, einem der kinderreichsten Stadtviertel Deutschlands mit Müttern, die ihre "Sören-Wotans" mit Apfelschnitzen aus Tupperdosen auf dem Spielplatz gegen die "Jim-Dschingis" dieser Welt, die lieber mit der Schippe als mit Worten diskutieren, antreten lassen.

"Diese Eltern sind überall und die wissen alles besser. Denn die haben studiert - und zwar lange! Bei uns in Köln-Sülz werden die Kinder mit der FAZ gewickelt, da wird der Po auch schlau", resümierte Barbara Ruscher über Mütter, die stolz auf ihre "maximale Frühförderung" und darauf sind, dass ihr "Sören-Wotan schon 'Dinkel' und 'Atomkraft - nein danke" sagen kann" - obwohl er erst ein halbes Jahr alt sei.

Nicht, dass sie Dinkel nicht möge, betonte Ruscher, jedoch bevorzuge sie lieber "unaufgeregt ökologischer Kost". Fischstäbchen etwa. "Männer sind irgendwann weg, Fischstäbchen bleiben. Die Deutschen essen im Jahr rund 1,8 Milliarde Fischstäbchen. Dabei wird jedes zweite Fischstäbchen von Erwachsenen gegessen."

Durchweg gelungen und mit virtuosem Klavierspiel vorgetragen, wagte Barbara Ruscher auch den Perspektivenwechsel hin zu Günther, dem Fischstäbchen: Beim Lied vom "Fertiggericht, mit dem man spricht oder auch mal bricht", dessen Freundin "Gräte" letzten abgebraten worden ist, und das panierte Tofuschnitzel als "groben Panierfehler" betrachtet, wurde klar, auf was sich das Publikum gefasst machen durfte: Auf geistreiche und ehrliche Gesellschaftskritik, die nicht weh tut, sondern Spaß macht und doch immer wieder zeigte, dass alle Menschen trotz vieler Fortschritte und moderner Technologien noch viel lernen müssen.

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