Kolumne Kann sich Bonn nicht produktiv entwickeln?

Meinung | Bonn · Bäder, Bergfeld und Bürgerentscheide: GA-Redakteur Dietmar Kanthak hat sich mit den Defiziten von Bonn auseinandergesetzt und meint: Es wäre besser, Zukunft zu gestalten, statt sie immer nur zu verhindern.

 Mann mit einer Vision: Axel Bergfeld (rechts).

Mann mit einer Vision: Axel Bergfeld (rechts).

Foto: Benjamin Westhoff

Wir in Bonn sind schon wer: zum Beispiel Beethovenstadt, Fahrradhauptstadt (zumindest auf dem Weg dahin) und Nachhaltigkeitsstadt. Bonn fördert die kommunale Umsetzung der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele („Sustainable Development Goals“) der Vereinten Nationen. Leider reicht der Platz nicht aus, um das im Detail darzustellen. Wer „Sustainable Development Goals“ stemmt, ist für den Titel „Lead City“ automatisch qualifiziert. Die Auszeichnung hat damit zu tun, aktiv in der Stadt fürs Klima zu wirken. Mehr Nahverkehr, weniger Autos, so ähnlich soll das glaube ich funktionieren.

Das Problem mit Begriffen wie „nachhaltig“ liegt – unabhängig davon, dass sie hässlich klingen – darin, dass sie nur schwer mit Inhalt zu füllen sind, ihren Sinn nur mit Fußnoten und langen Erklärungen entfalten. Schlimmer wird die Sache noch, wenn die englische Sprache ins Spiel kommt. Sustainability? Lead City? „Lead“ hat als Verb im Englischen die Bedeutung „führen“, als Substantiv bedeutet das Wort „Blei“. „Lead City“ könnte das klimaaffine Bonn also – fälschlicherweise, versteht sich – in die Nähe von bleiern („leaden“) bringen, einem Eigenschaftswort, das sich gern mit Substantiven wie Schwere und Müdigkeit verbindet. Bleiernes Bonn, das klingt nach einer Stadt, in der sich nichts bewegt, die an einer schweren Last zu tragen hat und sich nicht produktiv entwickeln kann.

Visionen waren heiße Luft

Bei aller Wertschätzung unserer tollen Stadt, das Bild mit dem Blei ist nicht ganz falsch. Was hätten wir nicht alles haben respektive bekommen können? Ein feines Festspielhaus, ein funktionierendes Viktoriakarree, ein vernünftiges zentrales Bad. Keine dieser Ideen wurde oder wird verwirklicht, die Widerstände in der Stadt sind zu groß. Es gab aber auch individuelle Initiativen, die ohne konkrete Folgen geblieben sind. Der Unternehmer Frank Asbeck erstaunte im Juli 2008 das Publikum mit der Vision von einem Zoo in der Rheinaue.

Der Zoo kam ebenso wenig wie die 2015 geplante Glaskuppel über dem Innenhof des Poppelsdorfer Schlosses. „Wir stehen am Anfang eines großen Projekts“, kommentierte Oberbürgermeister Ashok Sridharan damals Asbecks Kuppel-Vorstoß. Traurig, aber wahr: Entweder entpuppen sich Visionen in Bonn als heiße Luft (siehe Asbeck), oder sie stoßen auf gut organisierten Widerstand. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid bedeuteten 2015 das Ende für das ursprünglich vom Rat mitgetragene Einkaufszentrum im Viktoriakarree und zuletzt für das Wasserland-Bad-Projekt.

Zukunft gestalten statt verhindern

Ich habe an dieser Stelle schon einmal meine Bewunderung für Axel Bergfeld ausgedrückt, der maßgeblich die Agenda der öffentlichen Diskussion über das Viktoriakarree und die Bäderlandschaft in Bonn bestimmt hat. Bergfeld und seine Mitstreiter machen Rat und Oberbürgermeister vor, was nachhaltig bedeutet, wenn es um die Durchsetzung von politischen Zielen geht. Sie lassen nie locker, sind organisatorisch begabt und kampfrhetorisch beweglich. Wer für das Wasserland-Bad war, musste beim Bürgerentscheid mit „Nein“ stimmen; fast wäre ich darauf rein-gefallen. Doch was bringen die Siege der Bergfeld-Bewegung?

Das Viktoriakarree vergammelt weiter, in der Bäderfrage ist alles auf null gestellt. Es wird lange dauern, bis ein halbwegs erträglicher Kompromiss gefunden worden ist, der dann auch niemanden wirklich zufriedenstellt. Ich finde es besser, Zukunft zu gestalten, statt sie immer nur zu verhindern. Um das mit einem Namen zu illustrieren: Der Bonner Wissenschaftler und Unternehmer Hermann Simon wäre einer, der helfen könnte, städtebauliche Visionen mit Expertise und Erfahrung zu begleiten. Sein zentraler Forschungsgegenstand: das Geheimnis des Erfolgs.

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