Dem Tod des Ichs entronnen Ken Bugul liest in Bonn aus ihrem Roman

Bonn · Die Schriftstellerin Ken Bugul liest in der GIZ aus ihrem Roman „Riwan oder der Sandweg". Bugul ist eine Frau, die gelernt hat, sich mit starker Stimme zu äußern und wahrgenommen zu werden.

 Ausdrucksstark: Ken Bugul und Moderator Dietmar Kanthak.

Ausdrucksstark: Ken Bugul und Moderator Dietmar Kanthak.

Foto: Barbara Frommann

Ihr literarisches Werk ist geprägt von einem bewegten Leben. 1947 wurde sie in einem kleinen Dorf im Senegal geboren. Als junge Erwachsene studierte sie in Brüssel, fühlte sich dort als Dunkelhäutige jedoch nicht akzeptiert. Enttäuscht von ihren Erwartungen an ein vermeintlich besseres Leben in Europa, kehrte sie in den 1980er Jahren in den Senegal zurück. Dort lebte sie zwei Jahre lang auf der Straße, fühlte sich in ihrer Identität verloren und begann aus der Not heraus, die Suche nach ihren Ursprüngen autobiografisch in ihren ersten Texten zu verarbeiten.

Am Donnerstagabend las die Schriftstellerin Ken Bugul als Gast der Veranstaltungsreihe „Weltliteratur bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)“ aus ihrem Roman „Riwan oder der Sandweg“ (erscheint im Februar im Unionsverlag). Eine Einladung nach Berlin oder Stuttgart hätte sie abgelehnt, sagt Ken Bugul mit einem tiefen Lachen. Nach Bonn aber, in diese schöne Stadt am Rhein, sei sie äußerst gern gekommen.

Zehn Romane hat die Autorin bislang geschrieben. Nur zwei davon wurden ins Deutsche übersetzt. Und deswegen beschwert Bugul sich zunächst, dass sie bei Besuchen in Deutschland immer über dieselben Themen sprechen müsse. Dabei habe ihr Werk doch so viel mehr zu bieten als die klugen Gedanken über Ehe, Sexualität und Polygamie, von denen sie in „Riwan oder der Sandweg“ schreibt.

Es ist ihr dritter Roman, der letzte Teil einer autobiografischen Trilogie, die den Beginn ihres schriftstellerischen Wirkens markierte. Darin erzählt Bugul von ihrem Leben auf der Straße, von ihrer inneren Hilflosigkeit und schließlich ihrer polygamen Beziehung zu einer religiösen Autorität, einem Serigne, durch den sie zurück zu sich selbst fand.

Den Verlust von Identität durchlebte Bugul, weil sie in Europa ein „gelobtes Land“ erwartete, so drückt sie es heute aus. Ihre innere Zerrissenheit entstand, weil sie als Kind in einem kolonialen Umfeld mit französischen Werten aufwuchs und glaubte, dass Europa ihre eigentliche Heimat sein müsse. Doch als junge Erwachsene in Belgien angekommen, fühlte sie sich unerwünscht und zurückgewiesen, eine Empfindung, die sich auch in ihrem Künstlernamen widerspiegelt: Aus der Wolof-Sprache übersetzt, bedeutet Ken Bugul so viel wie „Eine, die unerwünscht ist.“ Zeitweise hatte sie „verlernt zu sprechen, zu sein und zu lachen“, so liest sie an diesem Abend in Bonn mit fester Stimme aus ihrem Roman vor. In der polygamen Beziehung schien jedoch ihre „lang schwelende, schmerzhafte Wunde allmählich zu heilen“. Sie sei dem „Tod des Ichs“ entronnen. Ihre Entfremdung und der Verlust von Identität, die sie in Europa durchlebt hatte, überkamen sie im Kreis der vielen Frauen des Serigne.

Wortgewandt und ausdrucksstark richtet sich Ken Bugul an diesem Abend, unterstützt von Übersetzerin Jutta Himmelreich, an ihr Publikum. Sie habe nie geplant, Schriftstellerin zu werden und sehe das Schreiben nach wie vor nicht als Mittelpunkt ihres Lebens an, betont sie im Dialog mit Moderator und GA-Feuilletonchef Dietmar Kanthak immer wieder.

Am Ende der Lesung dankt der Applaus der Zuschauer einer Frau, die nie Schriftstellerin werden wollte, die sich nach wie vor gegen die Bezeichnung wehrt, für ihre großartigen Romane dennoch den Grand Prix littéraire de l’Afrique noire erhalten hat. Eine Frau, die gelernt hat, sich mit starker Stimme zu äußern und wahrgenommen zu werden.

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