Erfolgreiche Premiere Kino Rex übertrug den "Fliegenden Holländer" live aus Bayreuth

Endenich · Ein bizarres Erlebnis: Die letzten zehn Minuten im Endenicher Kino Rex blickt das applaudierende Publikum auf ein applaudierendes Publikum im 470 Kilometer entfernten Bayreuth, auf einen Vorhang, der sich einen Spalt weit öffnet, auf mehr oder weniger großartige Sänger, die sich verbeugen.

 "Holländer"-Dirigent Thielemann im Rex.

"Holländer"-Dirigent Thielemann im Rex.

Foto: Thomas Kliemann

Nur als das Regieteam um Jan Philipp Gloger bei der Eröffnung der diesjährigen Bayreuther Festspiele ausgebuht wird, machen die Bonner nicht mit. Kein Wunder, das hiesige Publikum hat auf eigener Bühne auch schon mal einen recht albernen "Fliegenden Holländer" erlebt, ist derlei Regieklamauk gewöhnt.

200 Kinos haben den Auftakt zum Jubiläumsfestival auf dem Grünen Hügel deutschlandweit live übertragen, Bonn war erstmals dabei, das Rex hat Bayreuth nach Endenich geholt. Experiment geglückt. Rudelgucken in HD-Bildqualität und mit sattem Sound: Oper 2.0. Zum Grünen Hügel aber gibt es gravierende Unterschiede, vom Kartenproblem einmal abgesehen: "Das Rex ist besser klimatisiert als das Bayreuther Festspielhaus", sagt Dirk Monreal vom Richard Wagner Verband Bonn/ Siegburg.

Und der nach dem schweißtreibenden Opernabend trotzdem sichtlich gezeichnete Kinochef Dieter Hertel meint: "Die Sitze im Rex sind bequemer, es ist viel mehr Platz". Und: "Es ist toll, dass das so klappt". Ein fast volles Haus bei bestem Biergartenwetter (Beginn: 17 Uhr).

Vor den Holländer hat die Regie den musikalischen Dampfplauderer Axel Brüggemann mit Interviews und Live-Schalten zum Roten Teppich vorm Festspielhaus gesetzt. Das Publikum im Rex verfolgt konzentriert und amüsiert, wie Brüggemann sich mit der tief dekolletierten und mit ländlich-rustikalem Charme ausgestatteten Festivalchefin Katharina Wagner und deren Halbschwester Eva Wagner-Pasquier unterhält, die insbesondere durch eine Art Bademantel in Pink auffällt.

Spannend dann Maestro Christian Thielemanns Holländer-Deutung. Physisch und intellektuell hat er diese Oper durchdrungen. "Ich stelle mir vor Beginn schon das Ende vor", sagt er. Und da sieht er ein Happy End, zumindest musikalisch: Man höre B-Dur, "nach Tod klingt das nicht". Überhaupt arbeite Wagner im "Holländer" mit "Versatzstücken der Soap Opera". Das könne man auch hören, sagt der Dirigent.

Das Publikum hört genau hin, als zu Festspielhaus-Bildern die Ouvertüre losbraust. Atemlos. Wunderbar. Dann flackert es auf der Bühne, das Drama nimmt seinen Lauf vor einem außergewöhnlichen Rex-Publikum: Kein Popkorn, keine Nacho-Schwaden, oder umfallende Cola- und Bierflaschen, dafür absolute Ruhe und Spannung, hier und da ein Lacher, als Erik mit der Silikonspritze in der Hand von der Jägerei singt, aufgeregtes Tuscheln, als eine spärlich bekleidete Schöne dem Holländer an die Hose will.

Der Bayreuther "Holländer" ist ein grandioses Erlebnis mit glänzenden Solisten und einem fantastischen Orchester. Leichte Abstriche bei der Bildregie: Will man wirklich Sentas Schweißperlen bildfüllend in HD-Qualität sehen? Muss die Kamera wirklich jedem Chormitglied auf die Pelle rücken? Mehr Distanz, bitte! Am Ende dann aber tosender Applaus im Rex - für Wagner, die Musiker und wohl auch für Hertel.

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