Kitsch und Klassiker bei der Art Cologne

Kölner Kunstmarkt bietet breites Angebot von der Moderne bis zur Gegenwart

Kitsch und Klassiker bei der Art Cologne
Foto: Franz Fischer

Köln. Im sogenannten "Open Space" der Kunstmesse, einer Mischung aus Abenteuerspielplatz, Experimentierlabor und Flohmarkt gibt es ein Video zu sehen; da operiert ein Artist geschickt mit einer riesigen Seifenblase, schließt allerlei Dinge darin ein und grinst schließlich befriedigt.

Die Blase hält. Der Gesichtsausdruck ist ganz ähnlich wie der von Daniel Hug, Schweizer und Enkel des Bauhaus-Helden László Moholy-Nagy, der seinen Galeristenjob in Los Angeles mit dem Direktoren-Schleudersessel der "Art Cologne" getauscht hat.

Was Hug vom Artisten unterscheidet: Sein Schicksal ist tatsächlich eng mit der Seifenblase Kunstmarkt verknüpft. Der inspirierende, aber letztlich glücklose Vorgänger Gerard Goodrow war an der geforderten Reform des Kölner Kunstmarkts gescheitert.

Nun ist Hug am Zug. Er hat das Galeristenfeld gelichtet und das Angebot auf übersichtliche zwei Hallen reduziert. Die überflüssige Sparte "Hidden Treasures" mit vermeintlich zu kurz gekommenen Talenten wurde entsorgt, der Wust an Begleitveranstaltungen gestrafft, der "Open Space" deutlich abgespeckt und mit einer neuen, unverwechselbaren Architektur versehen.

Ein Plus ist unbedingt die Rückkehr der prominenten Abtrünnigen Annely Juda aus London, Hans Mayer aus Düsseldorf oder Michael Werner aus Köln. Ob das alles ausreicht, um die 43. "Art" heil durch die Krise zu bringen, werden die erwarteten 50 000 Besucher bis zum Sonntag entscheiden.

Bei der Vernissage war es am Dienstag eigentlich wie immer: Die Schönen und Reichen - es gibt sie noch - strömten gut gelaunt durch die Halle elf, die auf zwei Geschossen ein Panorama von der Klassischen Moderne über die Nachkriegskunst bis zu den Zeitgenossen bietet. In diesem Punkt ist die alte Tante "Art" unschlagbar. Auch der frivole Mix aus Kitsch und Hochkunst, Trash und Ambition ist Köln-spezifisch.

Nach wie vor gibt es museumswürdige Einzelstücke und Ensembles. Eine Attraktion ist sicherlich August Mackes Gemälde "Lesendes Mädchen auf blauem Sofa" (1912) aus süddeutschem Privatbesitz, das auf dem Stand der Düsseldorfer Galerie Schwarzer für 1,2 Millionen Euro zu haben ist. Wem das zu teuer ist, sollte bei Mackes signierter Zeichnung "Spaziergänger unter Bäumen" von 1913 (115 000 Euro) zuschlagen.

2,4 Millionen kostet Kirchners "Nacktes Mädchen auf Diwan" bei Henze & Ketterer. Unter den Ensembles sticht die Werkgruppe "Some Versailles and Paris spaces" der Fotografin Candida Höfer heraus. Hans Mayer schlägt einen Bogen von Stella und Paik bis Chamberlain. Christian Nagel glänzt mit einer Serie von "Hotelzeichnungen" Martin Kippenbergers und dem "Musée Autodemolition", einer raumfüllenden, sehr schönen Installation aus Atelier-Fundstücken von Cosima von Bonin (130 000 Euro). Hier bewegt sich die Messe auf höchstem Niveau.

Es geht auch anders: Ähnlich ernüchternd wie der Talentschuppen "New Positions", der kaum interessante Perspektiven aufweist, wirkt auch das Nachwuchsgalerien-Porgramm "New Contemporaries". Ausnahmen: Die interessant präsentierten Objekte und Fotografien von Nina Rhode und Thomas Schroeren bei Sandra Bürgel aus Berlin oder der Auftritt der Kölner Galerie Figge von Rosen.

Der Kunstflaneur macht auf der "Art" wie gewohnt Entdeckungen, abstruse und solche, die sich lohnen. Es gibt den Riesenkopf von Klaus Kinsky und einen Japaner, der wie William Turner arbeitet, viel dekorative Fotografie, eine düstere Kunstbar mit verschmiertem (Kunst-)Pissoir.

Der Kontrast zu den zarten Strichgittern von Katharina Hinsberg (Edith Wahlandt), den filigranen Matrixstudien von Jorinde Voigt (Galerie Lethert) oder zu der faszinierenden Computersimulation, mit deren Erlös John Gerrard sein Gastspiel auf der kommenden Biennale in Venedig finanziert (Galerie Hilger), könnte nicht größer (und lohnender) sein.

Wie immer ist die Bonner Präsenz auf der "Art Cologne" überschaubar. Eine einzige Galerie, die von Marianne Hennemann, hält sich dort mit dem bewährten und hochwertigen Klassikerprogramm um Goetz, Thieler und Tier, die mit Werken aus mehreren Jahrzehnten vertreten sind. Das Informel, zeigt der Blick in Hennemanns Stand, ist durchaus erschwinglich.

Genau etwas für Einsteiger. Bei dem Bonner Martin Noël ist der Zug fast schon abgefahren: 22 000 Euro muss man für sein ganz neues, traumhaft schönes Großformat "Landgren" (Hommage an den gleichnamigen Jazzmusiker) bei der Galerie Klaus Benden investieren, die kleinere, malerisch rosa angehauchte "Mathilda" kostet 10 000 Euro weniger.

Exzellent präsentiert wird ein Objekt des Bonner Künstlers Werner Haypeter in der Londoner Galerie Annely Juda zusammen mit Skulpturen von Anthony Caro und einem reichlich patinierten verpackten Einkaufswagen von Christo aus dem Jahr 1963 (460 000 Euro).

Bei der Vernissage freilich war die Bonner Präsenz beachtlich: Betriebsausflug der gesamten Kunstmuseums-Crew, Kunstverein gut vertreten, die Ankaufkommission des Bundes in Gestalt von Anne-Marie Bonnet mit gespitztem Bleistift unterwegs, Galerie-Veteran Pudelko unermüdlich auf Talentsuche.

Art Cologne, Messe Köln., Halle 11; bis 26. April. Täglich 12-20 Uhr

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