Beethovenfest in Bonn Klangliche Transparenz

Bonn · Beethoven-Haus: Mit einem ungewöhnlichen Duo-Programm waren Daishin Kashimoto, der Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, und sein Klavierpartner Konstantin Lifschitz im Bonner Beethoven-Haus zu erleben.

 Meisterhaft: Daishin Kashimoto (links) und Konstantin Lifschitz im Beethoven-Haus.

Meisterhaft: Daishin Kashimoto (links) und Konstantin Lifschitz im Beethoven-Haus.

Foto: Barbara Frommann

Mächtig und erhaben begann Kashimoto den Abend mit Bachs berühmter Chaconne aus der Partita Nr. 2 für Violine solo. Ein Paradestück - Pflicht - für Geiger, um das man nicht herumkommt, aber auch die wunderschönste Kür, wenn man erst einmal die technischen Schwierigkeiten beherrscht.

Diese meistert Kashimoto ohne jeden Zweifel, aalglatt und weichgespült erklang die Chaconne jedoch an diesem Abend nicht. Teils etwas harsch an den Akkordstellen, aber immer zugunsten der klanglichen Transparenz arbeitete sich Kashimoto an dem Werk ab und präsentierte dieses in all seiner Virtuosität und Gesanglichkeit, aber auch mit Ecken und Kanten.

Nach diesem Auftakt betrat Lifschitz die Bühne mit Weberns Variationen op. 27, in denen dieser Bezug nimmt auf sein großes Vorbild Bach. Dicht und sehr markant setzte er dieses zu Bach sehr gegensätzliche Werk um.

Ebenfalls passend zum Festival-Thema "Veränderungen" erklang hiernach noch einmal Bachs Chaconne in einer Bearbeitung für Klavier solo. Jedoch nicht die bekanntere Version von Busoni, sondern eine höchst virtuose von Johannes Brahms, die er nur für die linke Hand geschrieben hat.

Bravourös meisterte Lifschitz die ungewöhnliche Bearbeitung. Mit virtuosen schnellen Sätzen waren er und Kashimoto nach der Pause in Bachs Sonate Nr. 6 G-Dur BWV 1019 zu hören, bevor der Abend mit Brahms' Sonate op. 100 ausklang. Auch in dieser waren die beiden Musiker in ihrem Interpretationsansatz einander sehr ähnlich: kraftvoll und durchaus mit Ecken, nichts für schwache Gemüter. Verena Düren

Post Tower Lounge: Was für ein Talent! Statt Yoyo Christen, der sich die Hand verknackst hatte, spielte der Pianist Christoph Preiß im Rahmen der Reihe Junge Bühne in der Post Tower Lounge. Preiß war am gleichen Tag nicht nur einige hundert Kilometer aus Regensburg angereist, nachdem Solveig Palm vom Netzwerk Ludwig van B. in ihm Ersatz gefunden hatte, sondern spielte ein anspruchsvolles Programm auf allerhöchstem Niveau.

Es war nicht nur die Ausdauer zu bewundern, die der gerade einmal 14-jährige Preiß an den Tag legte. Was Preiß in seinem Alter bereits beherrscht nötigt bedingungslosen Respekt ab, denn er spielt technisch versiert, mit außerordentlichem interpretatorischen Tiefgang und einem feinen Gespür für das musikalische Timing. Das war schon bei Wolfgang Amadeus Mozarts D-Dur Sonate (KV 311) zu hören, mit der Preiß den Abend eröffnete.

Hier ging er sehr planvoll ans Werk, glänzte mit sensiblem und differenziertem Anschlag. Generell tendierte Preiß zu schnellen Tempi, hielt diese zumeist auch konsequent durch, so auch in Ludwig van Beethovens d-Moll Sonate aus op. 31. Ihrem Untertitel "Der Sturm" machte er alle Ehre und ließ trotz allen Ungestüms keinen Zweifel daran, dass er bei jeder Note Herr des musikalische Geschehens blieb.

Schlichtweg sensationell war es, was Preiß aus den Funérailles von Franz Liszt machte. Hier erreichte er eine musikalische Tiefe und emotionale Dichte, wie sie nicht jedem ausgewachsenen Profi gelingt. Guido Krawinkel

Brotfabrik: Wahrscheinlich hat kaum ein Künstler beim Beethovenfest dessen Motto "Veränderungen" so radikal umgesetzt wie der niederländische Komponist, Dichter, Musiker und Performer Jaap Blonk. Bei der Uraufführung seines Programms "Sprachschatten, Lichtlieder" in der Brotfabrik kombinierte er Gedicht-Rezitationen mit elektronischen Einspielungen und Bild-Transformationen auf einer großen Leinwand.

Die Gedichte erklangen jedoch nicht im Original, sondern als von Blonk bearbeitete Variationen, bei denen Silben und Wörter neue Plätze einnahmen. Darüber hinaus rezitierte er ebenfalls bearbeitete Lautgedichte, etwa Zahlengedichte von Kurt Schwitters, und präsentierte abschließend eine komplexe Variationsreihe von Beethovens Lied Adelaide, op. 46, mit Veränderungen auf Text-, Musik- und Notationsebene.

Insgesamt ein künstlerisch ambitioniertes, aber auch überfrachtetes Programm. Auch Blonks Ansatz, mit Metamorphosen bekannter Gedichte "den Prozess einer allmählichen Wiedererkennung" zu ermöglichen, mochte bei Goethes "Über allen Gipfeln ist Ruh" noch funktionieren.

Die Bearbeitung von Stéphane Mallarmés "Un coup de dés jamais n'abolira le hasard" - "Ein Würfelwurf wird niemals den Zufall aufheben" - hingegen blieb unverständlich. Blonks stimmlich variabler Vortrag von Raoul Hausmanns Text "Albtraum" war dagegen großes Kino und fand großen Beifall. Claudia Wallendorf

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