Kammerspiele Bad Godesberg Klaus Weises Abschiedsgeschenk: "Der zerbrochne Krug"

Bad Godesberg · Am Freitagabend begann in den Kammerspielen das Ende einer Ära. Nach zehn Jahren als Herr über Schauspiel und Oper verlässt Klaus Weise in wenigen Monaten das Bonner Theater; sein Nachfolger ist Bernhard Helmich. "Der zerbrochne Krug" ist Weises letzte Regiearbeit in Bonn.

 Der Richter (Ralf Drexler) und das blonde Fallbeil (Birger Frehse als Schreiber Licht).

Der Richter (Ralf Drexler) und das blonde Fallbeil (Birger Frehse als Schreiber Licht).

Foto: Thilo Beu

Die Premiere des Lustspiels von Heinrich von Kleist , die um 21.50 Uhr endete, hatte ein kurzes Nachspiel, zu sehen war eine Abschieds-Miniatur. Der Regisseur nahm mit seinem Team den enden wollenden Applaus entgegen, dann verbeugte er sich vor seinen Schauspielern, zeigte Rührung und trat ab. Das war's. Keine Wiederkehr Weises, keine letzten Worte, keine Kommunikation zwischen Theatermann und Publikum, die es zehn Jahre lang bestens miteinander ausgehalten haben.

Man hätte mehr erwarten können. Das gilt auch für den "Zerbrochnen Krug", den Weise als Abschiedsgeschenk ans Publikum, seine Schauspieler und sich selbst ausgewählt hatte. Das Geschenk setzte sich zusammen aus starken komödiantischen Momenten, visueller Poesie, fabelhaften schauspielerischen Akzenten, aber eben auch aus wohlfeilen Oberflächenreizen, Laurel-und-Hardy-Slapstick und einer verblüffenden Sprachkunstlosigkeit.

Man soll die Musikalität von Kleists Sprache nicht rühmen, wie Weise es vor der Premiere getan hatte, und sie dann dem Publikum vorenthalten. Offen gesagt: Es fiel bisweilen schwer, überhaupt mitzubekommen, was auf der Bühne verhandelt wurde. Mit Kleists Dichtkunst hatte das wenig zu tun, eher schon mit diffusem Alltagsduktus.

Sprechen wir von den schönen Seiten dieser Inszenierung. Sie beginnt geradezu mystisch. Im Bühnennebel und raffiniert beleuchtet erzählt Anastasia Gubareva als Eve, wie der Dorfrichter Adam sie mit einer List gefügig machen wollte. Bevor es zum sexuellen Übergriff kam, war Adam gezwungen zu fliehen. Während Eve spricht, glaubt man im Nebel eine männliche Leiche wahrzunehmen, die von einer Frau gewaschen wird. Adams Leiche? Das Ende des schuldig gewordenen Dorfrichters?

Rund eine Viertelstunde dauert Eves Bericht. Danach: Pause. Im Anschluss beginnt der Theaterabend wie von neuem. Der Richter (Ralf Drexler) liegt da bis auf einen hautfarbenen Slip nackt auf der Bühne, er ist Adam, vertrieben aus dem Lügenparadies. Drexler ist unwiderstehlich als ein Mann, der sich immer mehr im Netz seiner Unwahrheiten verfängt.

Sein Adam brilliert als wendiger Geschichtenerfinder, als Meister der Ausflucht, wie ein Hase schlägt er der Wahrheit immer wieder Haken - bis sie gegen seinen Willen offenbar wird. Mal scheint er nicht richtig zu hören, mal gibt er sich naiv, mal explodiert er. Der Dorfrichter: ein Vulkan. Und ein Außenseiter, dessen tragisch gefärbte Einsamkeit Drexler wie nebenbei ausbreitet.

Anastasia Gubareva als Eve erträgt das Maskenspiel des Richters eine Zeit lang schweigend, doch in ihren Augen spielt sich die Tragödie verletzter Unschuld und zerstörter Seinsgewissheit ab. Schaut auf diese Augen, möchte man jedem Theaterbesucher raten. Seht das wachsende Misstrauen und die Verachtung menschlicher Niedertracht.

Susanne Bredehöft (Marthe, die Hüterin des Kruges) und Dennis Pörtner als Ruprecht sind herrlich als kleine Leute, die endlich einmal im Rampenlicht stehen. Die Gerichtsverhandlung machen sie zum Selbstdarstellungsfest. Birger Frehse als Schreiber Licht ist ein leises blondes Fallbeil: der geborene Intrigant und Machtpolitiker. Johannes Lepper schmeißt als Bauer Tümpel gern die Leute herum: ein Grobian. Camilla-Cecile Körner gibt eine ebenso kecke wie liebe Magd, Anna Möbus eine glamourhaft statuarische Zeugin. Bernd Braun spielt den Gerichtsrat Walter gleichsam in Anführungszeichen. Er erscheint wie Graf Dracula unter dem Einfluss von Ritalin, ein Vampir in Zeitlupe. Schön anzusehen, aber auch selbstzweckhaft.

Martin Kukulies' Bühne erinnert an ein offenes, altes Buch oder an überdimensionale Flügel; die Konstruktion, scheint es, könnte die Figuren jederzeit verschlucken. Auf der Bühne konzentriert sich zwischen Aktenstapeln das Drama einer - politisch wie privat - bedrohten dörflichen Gesellschaft. Auch kleine Leute haben große Probleme. Am Ende steht jedoch der leicht verbiesterte Egoismus der Marthe Rull. Ihrem zerbrochnen Krug soll sein Recht geschehen. Einer soll dafür zahlen.

Die nächsten Aufführungen: 25. und 28. April, 2., 5., 8., 18., 24. und 29. Mai. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

Auf einen Blick
Das Stück: Unsterblich als Justiz- und Beziehungsdrama.

Die Inszenierung: Flott komödiantisch, die tragischen Dimensionen spiegelt sie jedoch nur punktuell.

Die Schauspieler: Setzen komödiantische Akzente, schaffen poetische Miniaturen, aber verweigern die Sprachkunst des Autors.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort