60 Jahre Kunstverein Bonn Klein, dynamisch und radikal

Bonn · Der Bonner Kunstverein feiert Jubiläum: Direktorin Fatima Hellberg erinnert an den Wandel, spricht über das neue Profil, die Stärken und die Grenzen. Und sie verrät, wie gefeiert wird.

 Seit 2019 an der Spitze des Bonner Kunstvereins: Fatima Hellberg.

Seit 2019 an der Spitze des Bonner Kunstvereins: Fatima Hellberg.

Foto: Mareike Tocha/MAREIKE TOCHA

Viel Zeit zum Feiern hatte der Bonner Kunstverein nach dem Mega-Jahr 2022 nicht. Zwei renommierte Preise hat er abgeräumt, den des internationalen Kunstkritikerverbandes und im Herbst den „Oscar“ für deutsche Kunstvereine. Und schon steckt die Direktorin Fatima Hellberg tief in den Vorbereitungen fürs Jubiläumsjahr.

Vor 60 Jahren wurde der Bonner Kunstverein von engagierten Künstlern und Bürgern gegründet. Anlass für einen schnellen Rückblick. Zum Beispiel auf die Pionierarbeit von Dorothea von Stetten, die in den Anfängen in den 1960er Jahren in erster Linie um Sichtbarkeit bemüht war – der Kunstverein hatte noch keine eigenen Räume. Unter Margarethe Jochimsen, Vorsitzende von 1978 bis 1986, wurde der Kunstverein dann feministisch, politisch, auch was die lokale Kulturpolitik angeht – Stichwort „Mehr Kunst für Bonn“. Annelie Pohlen, die erste hauptamtliche Direktorin (1986-2004), öffnete das Spektrum, brachte Gegenwartskunst mit gesellschaftlichen, ökologischen und Wissenschaftsthemen in die umgebaute Blumenhalle, verknüpfte ihr Programm mit Highlights der Bonner Szene. Ein weiterer Qualitätsschub dann unter Christina Vègh (2005–2015) und Michelle Cotton (2015–2019): Die Perspektive wurde dezidiert international, das Lokale heruntergefahren.

Schutzraum für Kunst und Künstler

Auf der Agenda der 2019 in Bonn angetretenen Hellberg steht zum Beispiel die Reflexion über das, was ein Kunstverein bedeutet. „Schutzraum für Kunst und Künstler, Ausstellungsraum als Erfahrungs- und Erlebnisraum“, das sind Stichworte. Die Interaktion mit den mittlerweile mehr als 1000 Mitgliedern ist ihr ebenso wichtig wie der Kunstverein als Ort für Utopien. „Vielleicht können wir uns kein eigenes Restaurant leisten, dann machen wir halt ein Pop-up-Restaurant mit Künstlern, das planen wir“, sagt sie.

Seit den 1960er Jahren hat sich die Idee des Kunstvereins stark verändert. So galt es in den Anfängen, sich mit „ungewöhnlichen, neuartigen, vielleicht auch andersartigen Kunstformen“, wie Dorothea von Stetten es formulierte, gegen die Programme der Museen und der kommerziellen Galerien abzusetzen. Museen und Galerien haben inzwischen auch die junge, noch nicht arrivierte Kunst für sich entdeckt, früher die Domäne der Kunstvereine. Hellberg sieht dennoch einen spannenden Weg, bewertet die schlanke Struktur und Beweglichkeit von Institutionen wie dem Bonner Kunstverein durchaus als Vorteil gegenüber den „großen Schiffen“: Man könne „mit dem kleinen Team sehr schnell auf Entwicklungen reagieren“, könne Themen wie Nachhaltigkeit und Empathie in einem breiteren Kontext ganzheitlich präsentieren und erschöpfe sich nicht nur darin, Positionen junger Kunst abzuhaken. In Bonn sei die Arbeit des Kunstvereins – klein, unbürokratisch, dynamisch, radikal und grenzüberschreitend – verbunden mit dem Austausch durch die Artothek und dem Kontakt mit den Künstlern aus dem Atelierhaus Dorotheenstraße. Kooperationen mit anderen Institutionen gehören zum Lebenselixier.

Auch „museale Ausstellungen“ gestemmt

Es gab in der Vergangenheit auch „museale Ausstellungen“ im Bonner Kunstverein. Etwa eine über John Baldessari (Vègh) und Medalla (Fatima Hellberg), zwei Beispiele von Präsentationen mit durchaus musealem Format und Anspruch. Zweimal ein riesiger Kraftakt, der die kleinen Teams an die Grenze brachte. Medalla habe über 20 Jahre keine Museumsausstellung gehabt, erinnert Hellberg, „manchmal müssen wir einfach als jüngere Institutionen mutiger als die anderen sein und es versuchen“. Interessant war für sie, dass ein Museum dann die Pionierarbeit des Bonner Kunstvereins übernahm. Das Ganze funktioniert natürlich nur in Maßen und Grenzen, „wir haben nicht die großen Budgets, aber wir haben den Spirit, die Begeisterung“, sagt Hellberg. Eine Begeisterung, die auch auf Mäzene und Sponsoren überspringe. Ein kritischer Punkt. Denn der Bonner Kunstverein ist seit vielen Jahren unterfinanziert, hat über 20 Jahre keine Erhöhung seines Etats (12 000 Euro pro Monat) erlebt. „Wir haben geliefert, das braucht Support“, sagt Hellberg in Richtung Stadt Bonn.

Hellbergs Arbeit kommt offenbar nicht nur bei Preisjurys gut an. Seit 2013, als der Kunstverein seinen 50. Geburtstag feierte, ist die Mitgliederzahl von 800 auf mehr als 1000 gestiegen, und das in Zeiten sinkender Mitgliederzahlen in Kulturvereinen und einem stagnierenden bis kleiner werdenden Interesse an zeitgenössischer Kunst. „Wir sind ein Treffpunkt, ein Ort mit Wärme und Inklusivität“, sagt Hellberg, „wir haben Gesprächsrunden, Stammtische, Veranstaltungen, Jahresgabendinner mit DJ“. Solche Kontaktpunkte seien essenziell wichtig.

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