Art Cologne Kölner Museum Ludwig präsentiert sich mit Andrea Fraser und Phil Collins

Köln · Der Künstlerberuf sei ein hartes Brot, das eigene Werk anzupreisen entwürdigend und anstrengend. Die Künstlerin, die im Video "Official Welcome" (2001/03) am Stehpult über ihren Job doziert, hat alle Stadien durchgemacht.

Andrea Fraser im Museum Ludwig.

Andrea Fraser im Museum Ludwig.

Foto: Thomas Brill

Sie war euphorisch, berichtete mit leuchtenden Augen, gibt sich aber bald angelascht, ausgelaugt, apathisch. Parallel zum Diskurs der Künstlerin und Wolfgang-Hahn-Preisträgerin Andrea Fraser, der zum Lamento gerinnt, zieht sie sich Zug um Zug aus.

Am Ende ist sie nackt. Das sind Frasers Themen: Reden über Kunst, intelligent oder als beiläufiger Vernissagen-Tratsch; Handeln mit Kunst, ob als Investment-gesteuerte Heuschrecke oder als echter Liebhaber; Leben von der Kunst, was Fraser nicht selten deutlich als Prostitution benennt.

Das Kölner Museum Ludwig hätte sich keinen besseren Termin und klein besseres Umfeld für Andrea Frasers Ausstellung aussuchen können, als die heute startende Art Cologne. Frasers kritischer Blick auf Kunstvermittlung und Rituale, Produktion und Institutionen und eigentlich auf die gesamte Soziologie und Psychologie des Betriebssystems Kunst dürfte gerade in diesen Tagen viele zum Nachdenken anstiften.

[kein Linktext vorhanden]Und zum Lachen. Denn Frasers Performances und künstlerische Interventionen, ihre Kunstgespräche und fiktiven Vorträge sind bei aller theoretischen Grundierung mit Sigmund Freuds Psychoanalyse und Pierre Bourdieus "Regeln der Kunst" auch wunderbar ironisch und witzig.

Wer jemals beim Vernissagen-Sermon einführender "Experten" oder bei der Lektüre ambitionierter Katalogtexte die Augen verdreht hat, reißt sie bei Frasers Aktionen erstaunt auf: Sie hat diese Rituale genau beobachtet, formuliert sie um, übertreibt, kommt als agile Galeristen im Video "May I help you?" oder seit 1987 in Gestalt der fiktiven Kunstvermittlerin Jane Castleton vom Hölzchen aufs Stöckchen.

Sogar Deutsch hat die 1965 in Billings (Montana) geborene und in New York lebende Andrea Fraser gelernt, um eine improvisierte Ausstellungsrede Martin Kippenbergers unter dem Titel "Kunst muss hängen" neu zu inszenieren. Das ist nicht nur lustig, denn hinter Frasers Wortkaskaden verbergen sich fundamentale Gedanken zur Kunst.

Man muss der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig für die Wahl der 19. Wolfgang-Hahn-Preisträgerin Andrea Fraser dankbar sein. Das Museum tat gut daran, dieser wichtigen Position nicht nur die übliche Preisträger-Schau eingerichtet, sondern eine opulente Retrospektive gewidmet zu haben.

Der Besucher lernt das gesamte System Fraser kennen von den frühen Recherchen über die Kunst-Talks der Reihe "May I help you?" bis zur analytischen "Projection" und der radikalen Aktion "Untitled" (2003). Fraser hatte sich dafür mit einem Sammler in einem New Yorker Hotelzimmer getroffen.

Er bezahlte die Aktion, sie schlief mit ihm, alles wurde gefilmt und kam als Fünfer-DVD-Edition heraus. Der Sammler bekam die Nummer 1/5. "'Untitled' sollte eine wörtlich zu nehmende Performance über die Metapher der Prostitution für den Kunstmarkt sein und keine Performance über Prostitution", sagte Andrea Fraser 2009 und wunderte sich über die Kontroverse, die "Untitled" auslöste.

Das könnte in Köln eine Neuauflage erleben. Ansonsten gibt es allerlei Überraschungen: Etwa das Faksimile zu ihrem Köln-Buch von 1990 und ihrer Ausstellung in der Galerie Nagel, außerdem die Neuerwerbung durch die Gesellschaft für Moderne Kunst: Der Zyklus "Kunst muss hängen".

Andrea Frasers exzellente Retrospektive wird von der Schau "In Every Dream Home A Heartache" des 1970 geborenen Briten Phil Collins kongenial flankiert, der seit 2011 an der Kunsthochschule für Medien in Köln lehrt. Zwei alte, gammlige Wohnwagen drehen sich auf Plattformen im sogenannten Heldensaal, eine bizarre Show läuft im Fernsehen. Das Programm "TUTBU.TV", das 2011 anlässlich einer Aktion im Berliner Hebbel am Ufer als Tele-Shopping-Event ausgestrahlt wurde, bietet Anrufern für 9,99 Euro die Teilnahme an prickelnden Abenteuern und Erlebnissen an. Man kann etwa ein Stasi-artiges Verhör kaufen oder auch eine Rolle in einem Pornofilm.

Außergewöhnlich auch das Projekt, das Collins gemeinsam mit der Obdachlosen-Überlebensstation "Gulliver" unweit des Kölner Hauptbahnhofs realisiert hat. Collins ließ in der Station ein Telefon für kostenlose Ferngespräche installieren. Die wurden im Einverständnis mit den Akteuren mitgeschnitten, Musikern geschickt, vertont und als Kombination aus Wort und Musik auf Single-Vinylschallplatten verewigt. In kleinen Hörkabinen kann der Besucher Platten auflegen, lauschen oder abschalten. Elend, Träume und Poesie sind im Museum angekommen.

Museum Ludwig Köln; bis 21. Juli. Di-So 10-18Uhr

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