L. Fritz Gruber Kölner Museum Ludwig stellt neu erworbenes Man-Ray-Archiv vor

Köln · Die großen Kämpfe hat Bodo von Dewitz allesamt gewonnen. Als die Agfa-Kollektion unter den Auktionshammer kommen sollte, schlug er ebenso erfolgreich Alarm wie beim drohenden Abzug der Sammlung Lebeck nach Hamburg. Bevor der Leiter der Fotografischen Sammlungen am Museum Ludwig nun im März in Pension geht, glückte ihm "eine hervorragende Ergänzung der Bestände".

 "Masque" nannte Man Ray diese "Studie in zwei Tönen" (Ausschnitt), die den Masken-Effekt hervorruft.

"Masque" nannte Man Ray diese "Studie in zwei Tönen" (Ausschnitt), die den Masken-Effekt hervorruft.

Foto: VG Bild-Kunst

Direktor Philipp Kaiser lobt: Das "Man Ray-L.Fritz Gruber Archiv" (für 200.000 Euro mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder erworben) unterfüttert jene Schätze, die Köln schon 1977 von Renate und L. Fritz Gruber erwarb.

"Heute wären diese hervorragenden Vintage-Prints nicht mehr zu bezahlen", stellt von Dewitz fest. Im ersten Obergeschoss schimmern sie (gewissermaßen in der Miniatur-Ausgabe der repräsentativen Schau in der sk-Stiftung von 2008) silbrig um die Wette: Dora Maar in kapriziöser Pose, eine von ihrem Schleier scheinbar perforierte Frau oder der wie im Röntgenbild aufgelöste Rückenakt.

Man Ray (1890-1976) porträtierte die großen Künstler seiner Zeit: Picasso mit energisch gerunzelter Stirn, Cocteau hinter durchsichtigem Bilderrahmen oder Max Ernst im heroischen Profil. Zu diesen großformatigen Glanzstücken kommt durch den Neuerwerb nun eine Serie von 50 Repro-Kontaktabzügen, auf deren Rückseite Man Ray seine Wertschätzung der jeweiligen Person notierte. Seine Frau Juliet bekam die Höchstnote 20/20, der Dichter T.S. Eliot kümmerliche 3/20. Handschriftliche Begründung: "Er ist für mich so interessant wie ich für ihn."

Die erste Begegnung der Grubers mit dem Amerikaner in Paris (1956) begründete eine enge Freundschaft zwischen den Paaren. Man Ray bekam auf der photokina 1960 eine prominente Plattform, und L. Fritz Grubers Witwe Renate erinnert sich an viele Atelierbesuche und den "im Winter unheimlich laut bollernden Ölofen". Zum erworbenen Konvolut (das sich glücklicherweise zum Zeitpunkt der Archivkatastrophe in Renate Grubers Privathaus befand) zählt eine lebhafte Korrespondenz.

Am 18. November 1968 beklagte Man Ray die Geringschätzung der Fotografie. Fortan werde er, der sich Picasso und Dali durchaus ebenbürtig fühlte, seine Arbeiten lieber "Collagen" nennen. Stolz berichtete er den Kölner Freunden: "Fast all meine Rayographien wurden von Sammlern angekauft, was mich in meinem Glauben bestärkt, dass Rayographien die Verbindung zwischen Malerei und Fotografie darstellen."

Umso schöner, dass 37 Kontaktkopien von Rayographie-Repronegativen angekauft wurden. An ihnen lässt sich der Zauber dieses Fotografierens ohne Kamera bewundern. Arrangierte Dinge können sich dabei auf lichtempfindlichem Papier gewissermaßen selbst darstellen, und tatsächlich führen hier etwa Alltagsgegenstände wie Zelluloidrollen ein magisch-mysteriöses Eigenleben.

Man Ray war ebenso Künstler wie Tüftler, der per Granulation und Solarisation eine fast grafische Körnigkeit seiner Werke schuf. Dank der erworbenen Korrespondenz lassen sich auch einige Geheimnisse lüften: So wurde der berühmte Violinschlüssel auf dem Rücken von Kiki per Schablone angebracht...

Dank der begleitend ausgestellten Fotos von Herbert Molderings darf auch der Besucher durch Man Rays Atelier flanieren. Ganz wichtig im kreativen Chaos: aufnahmefähige Aschenbecher.

Und Bodo von Dewitz dürfte mit Freude vernommen haben, dass Philipp Kaiser auch diese Serie gern fürs Museum Ludwig ankaufen möchte. In 28 Jahren am Haus hat der Lichtbild-Experte offenbar ein Bewusstsein für den Wert jener einst sträflich unterschätzten Kunst geweckt.

Bis 5. Mai im Grafischen Kabinett des Museums Ludwig, Heinrich-Böll-Platz. Di-So 10-18, jeden ersten Do bis 22 Uhr.

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