Kölner Philharmonie: Beethoven in Salieris Kleidern

Gürzenich-Konzert mit Lisa Batiashvili und eine Lesung mit Alfred Brendel

Kölner Philharmonie: Beethoven in Salieris Kleidern
Foto: Thomas Brill

Köln. Vor etwas mehr als einem Jahr hat sich Alfred Brendel im Alter von 77 Jahren als Pianist zurückgezogen. Die Kölner Philharmonie gehörte zu seinen letzten Auftrittsorten. Jetzt kehrte er als Leser in eigener Sache wieder.

Dass einige Bücher von, mit und über Brendel kursieren - mit Musik und Klavierspiel im Mittelpunkt - nimmt nicht wunder. Aber im Herbst 2008 erschien von ihm eine kommentierte Auswahl der Briefe Friedrich Hebbels.

Brendels eigene schriftstellerische Befähigung hat sich unter anderem in dem Band "Spiegelbilder und schwarzer Spuk" niedergeschlagen, über dessen Stil das Wesentliche wohl gesagt ist, wenn man an die Hommage des Pianisten an die "Huster von Köln" erinnert.

Auch bei seinem jetzigen Kölner Auftritt blieb dieses Thema nicht ausgespart, beschränkte sich allerdings auf eine Randbemerkung. Ohnehin waren es oft nur kurze Beiträge, welche Brendel aus "Spiegelbilder und schwarzer Spuk" vortrug.

Manchmal lugte etwas Ernst zwischen den Zeilen hervor, wenn etwa von einem "Berühren ohne Sprechen" die Rede war. In der Regel jedoch gab der Pianist a.D. skurrile Short Stories zum Besten.

Eine erzählt beispielsweise, wie sich ein Krokodil die angemessene Verspeisung eines Großwildjägers allzu lange überlegt, so dass sein Opfer am scheinbar rettenden Ufer einem ebenso hungrigen Löwen zum Opfer fällt.

Auf die Idee, den Verpackungskünstler Christo auch mal die drei Tenöre verhüllen zu lassen, kann nur ein Mensch von abgründigem Humor kommen. Und die Geschichte, dass Mozart von dem als Salieri verkleideten Beethoven ermordet wird, weil der ihn als Neger enttarnt hat, strapaziert die Lachmuskeln schon einigermaßen.

Freilich: gelacht wird und wurde jetzt bei Brendel nur dezent. Zum Schenkelklopfen sind seine Texte, vorgetragen mit der Stimme eines sich dezent gebenden Reich-Ranicki, per se nicht tauglich.

Für die musikalische Umrahmung sorgte Pierre-Laurent Aimard, ein pianistischer Stratege der Neuen Musik, der sich aber auch im Gebiet der traditionellen klassischen Musik weitläufig umgetan hat (u.a. Zusammenarbeit mit Nikolaus Harnoncourt).

Ob Brendel die vorgetragenen, oft sehr witzigen Piècen von György Ligeti und György Kurtág jemals selber gespielt hat? Seinen Kollegen hat er für all die pianistischen Kapriolen aber fraglos bewundert. Beide Künstler wurden auf dem Podium der Philharmonie von einem sicher aus etwas nostalgisch gestimmten Publikum heftig gefeiert.

Lisa Batiashvili hat vor einiger Zeit Beethovens Violinkonzert mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen aufgenommen, jenem Orchester also, welches unter Paavo Järvi in Sachen Beethoven Maßstäbe gesetzt hat.

Ein detaillierter Vergleich mit der Interpretation der georgischen Geigerin beim Gürzenich-Konzert unter Markus Stenz wäre interessant.

Stenz hält es im Vergleich zu den impulsiven Bremern eher mit der Tradition, ohne sich individuelle Deutungsdetails zu versagen (etwa die extrem zurückgenommene Pizzicato-Begleitung im Larghetto).

Bei vorgegebener Langsamkeit schien Stenz für diesmal einen fast sakralen Respekt zu entwickeln. Das Andante von Anton Bruckners vierter Sinfonie ("Romantische") ging er mit besonderer Bedeutsamkeit an, gestaltete seine feierliche Aura mit Inbrunst und vibrierender Intensität.

Der Final-Schluss kam mit pathos-getränkter Verbreiterung daher. Das Gürzenich-Orchester, wiewohl gut disponiert, vermochte den Forderungen nach klanglicher Reinheit und Konzentration im Detail nicht immer ganz zu entsprechen.

Auf Lisa Batiashvili ist zurückzukommen. Eine Ausnahmegeigerin! Die Kadenz des Kopfsatzes beim Beethoven-Konzert fasste ihre Qualitäten konzentriert zusammen: perfekte Grifftechnik, lupenreine Intonation, kernige Tongebung für kraftvolle Aufschwünge und Doppelgriffpassagen.

In das ätherische Larghetto investierte die attraktive Künstlerin einen fast gebethaften Ausdruck.

Das Orchester (besonders die Holzbläser waren gut aufgelegt) begleitete ebenso sensibel wie grandeurhaft.

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