Kölner Schauspielhaus zeigt verwundete Seelen

Anna Viebrock verdichtet im Kölner Schauspielhaus Heinrich Bölls Roman "Billard um halb zehn" zum Sittenbild "WozuWozuWozu". Drei Stunden werden die Zuschauer vom Drama mitgerissen.

Kölner Schauspielhaus zeigt verwundete Seelen
Foto: H. und C. Baus

Köln. Dieses Aperçu konnte sich das Kölner Schauspielhaus nicht entgehen lassen. Unter dem Titel "WozuWozuWozu" hat Anna Viebrock Heinrich Bölls Roman "Billard um halb zehn" dramatisiert, in dem es um Bau, Zerstörung und Wiederaufbau einer Abtei geht.

Im Programmheft findet sich ein Foto vom Bühnenturm des Schauspielhauses und weist damit en passant auf den gerade abgewendeten Abriss des Gebäudes hin.

Bölls Roman bildet eine entscheidende Etappe auf dem Weg zum "Klassenziel der Weltkultur" (Enzensberger). Die Handlung spielt am 6. September 1958 und entwickelt in Rückblenden die Geschichte der Architektenfamilie Fähmel.

Des 80jährigen Heinrich, der die Abtei St. Anton erbaute, seines Sohnes Robert, die sie bei Kriegsende sprengen ließ, und seines Enkels Joseph, der sie wieder aufbauen soll. An diesem einen Tag verlässt Heinrichs Frau Johanna die Heilanstalt.

Der Exilant Schrella findet sich bei der Rückkehr immer noch auf den Fahndungslisten wieder, während die alten Nazis erneut in Amt und Würden sind.

Vergangenheitsbewältigung und Gegenwartskritik verschränken sich zu einem höchst perspektivenreichen Roman. In der Dramatisierung von Anna Viebrock und Dramaturg Götz Leineweber wird daraus jedoch eine Reihung von Monologen.

Da erzählt der alte Heinrich (Michael Wittenborn) von seiner Ankunft in der Stadt, seinen Frühstücken im Café und seiner Etablierung als Architekt. Eine hinzu erfundene Touristin namens Polly Morph (Rosemary Hardy) berichtet auf Englisch, was sie im Nachkriegsdeutschland erlebt.

Robert (Ernst Surberg) spielt Billard und sinniert mit einem jungen Pagen über Schuldfragen, während ein Portier (Norbert Thomé) ein kölsches Hohelied auf die Fähmels singt.

Dialoge gibt es kaum, es regiert eine "Verhaltenslehre der Kälte". Die Figuren bewegen sich wie einsame Trabanten durch den holzfurnierten Einheitsraum, den Anna Viebrock als ihre eigene Ausstatterin entworfen hat. Rechts ein Büro mit Schreibtischen, das in den Restaurantbereich eines Hotels mit Billardtisch übergeht.

In den Raum ragt ein Wohnkabinett als Zimmer einer Heilanstalt, in dem Johanna haust. Ihr Mann hatte sie dort zum Schutz vor den Nazis untergebracht, doch sie wurde wahnsinnig darüber. Mit hohem Ton stellt Julia Wieninger ihren unbeugsamen Hass aus.

Die neu-alten Machthaber, das ist vor allem Dr. Nettlinger, von Martin Reinke mit beängstigender Nonchalance gespielt, von dem der gerade verhaftete Rückkehrer Schrella des Yorck Dippe (ehemaliges Ensemble-Mitglied des Bonner Theaters) sich nur mit Ekel abwenden kann.

Doch auch die junge Generation um Joseph (Maik Solbach) und seine Frau Marianne (Ilknur Bahadir) sind seelisch zutiefst Verwundete, deren Zukunftsglaube bereits gebrochen scheint.

Der dreistündige Abend überzeugt weniger als Dramatisierung - wer den Roman nicht kennt, findet sich kaum zurecht -, als in der Nachzeichnung der bedrückenden Atmosphäre der 50er Jahre, aus der sich die demokratische Tradition dieses Landes entwickelt hat - was im Rückblick erstaunlich genug erscheint.

Weitere Termine: 21. und 25. April, Karten unter der Telefonnummer: (0221) 221-28400.

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