Kölns schwule "Csárdásfürstin" bewegt die Gemüter

Wer hätte gedacht, dass die Liebe unter echten Männern in diesen Tagen noch Aufmerksamkeit erregen könne? Die aktuelle Kölner Operetten-Inszenierung der schwulen "Csárdásfürstin" nach Emmerich Kálmán bewegte jetzt Gemüter, zum Lachen, zum Weinen, zum Kopfschütteln.

 Der Herr Fürstin und seine Verehrer: Szene mit Christoph Marti (im weißen Kleid).

Der Herr Fürstin und seine Verehrer: Szene mit Christoph Marti (im weißen Kleid).

Foto: Paul Leclaire

Köln. Männer in Frauenklamotten zählen in Köln zu den gesellschaftlichen Gepflogenheiten in der Karnevalssaison beim beliebten Divertissementchen, ganzjährig auf Wally Bockmeyers Bühnen zum touristisch vermarkteten Tuntengeblödel.

Wer hätte gedacht, dass die Liebe unter echten Männern in diesen Tagen noch Aufmerksamkeit erregen könne? Die aktuelle Kölner Operetten-Inszenierung der schwulen "Csárdásfürstin" nach Emmerich Kálmán bewegte jetzt Gemüter, zum Lachen, zum Weinen, zum Kopfschütteln.

Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Das wusste schon Matthias Claudius. Und die Kölner lernen gerade, dass das Ziel nicht weit sein muss.

Tickets Karten im GA-Ticket-ShopBei der zweiten Exkursion der Kölner Oper ins Palladium strauchelten die hochhackigen Damenschuhe zwar noch auf den vereisten Gehwegen vor dem rechtsrheinischen Ausweich-Quartier, aber als sich die Türen zu einem bisher völlig unbekannten Ballsaal öffneten, eher einem nachgebauten Varieté-Theater mit Bühnen, Laufstegen und Tischchen, da kündete den Premierengästen die kostbare Dekoration bereits das Besondere. "Da wissen wir, warum kein Geld für Salz da ist!" bemerkte ein Tischgenosse mit einem diebischen Lächeln: Die Stimmung war gut, die Neugier groß. Das Stück begann.

Die Story: Der blonde, nicht mehr ganz taufrische Varieté-Star Sylva Varescu besitzt neben ausgeprägt männlichen Zügen einen ebenfalls männlichen Verehrer von edlem Geblüt. Eine Verbindung zwischen den beiden ist gesellschaftlich nicht abzusegnen. Die Beziehung scheitert vorerst, der Star reist ab. Vor der Hochzeit des Edlen mit einer Frau taucht Sylva wieder auf. Nach weiteren Schwierigkeiten und Verzögerungen kommen die beiden Liebenden endlich zusammen: Als zwei schwule Männer knutschen sie sich ausgiebig ins Happy End.

Dieses grob geschilderte Handlungsgerüst lädt nicht gleich die ganze Familie zum Besuch ein. Aber wie liebevoll parodierend die Story, das Milieu im Travestie-Paradies, die unreine Lügen- bzw. Traumwelt der Operette und das Ringen um große und kleine Gefühle umgesetzt werden, ohne daraus eine tolldreiste rosa Karnevalsveranstaltung zu machen, das hat ganz stark etwas mit Kunst zu tun. Die Inszenierungs-Idee von Bernd Mottl basiert auf dem sehr wesentlichen Gedanken, die Fürstin nicht nur mit einem Mann, sondern mit dem Schweizer Künstler Christoph Marti zu besetzten, einer Darstellerlegende als Ursli in dem Musik-Kabarett der Geschwister Pfister.

Marti spielt seine Rolle eins zu eins, er wird zur ungarischen Tanzmarie, dürftig gekleidete Olympioniken heben den Star auf einem Spiegel zum Himmel, er wird zum Teufelsweib in der Gestalt einer Medusa, immer umschwärmt von seinem Männerballett (Otto Pichler), das eine wahre Kostümschlacht (Friedrich Eggert) liefert. Titel wie "Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht" werden mit einem Putzfrauenballett bebildert, und "Tausend kleine Engel singen habt euch lieb" zeigen Engel mit Wolkenhosen beim Drogenkonsum. Alle Künstler stoben mitten durch das Publikum, die Gäste werden sogar einbezogen, auch das lässt sich in speziell gebauten Räumen planen.

Die Stimmen werden verstärkt, das sei der besonderen Fürstin wie dem Saal geschuldet. Das "Salonorchester" aus Gürzenich-Musikern leitet Gerrit Prießnitz, es klingt passend eben wie ein besseres Salonorchester. Carsten Süß, Martin Koch und Alexander Fedin verpassen ihren draufgängerischen Charakteren die dringend benötigte Ernsthaftigkeit, auch Ehrengast Ludwig Sebus wirkt als kölscher Adel authentisch zwischen Fototapete und Käse-Igel. Und so schaukelt der Abend zwischen sehr nettem Klamauk im Narrenkäfig und einer anrührenden unvertrauten Operettengeschichte bis zum Mann am Manne.

Weitere Termine: 5., 9., 19., 20. und 27. Januar, 2., 4., 6., 8., 10., 12., 15. und 20. Februar.

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