Premiere im Staatenhaus König in fleckigem Frack

Köln · Dietrich W. Hilsdorf gelingt eine temporeiche Inszenierung von Verdis komischer Oper „Falstaff“. Lucio Gallo in der Titelrolle begeistert ebenso wie der Dirigent Will Humburg am Pult des Gürzenich-Orchesters.

 Eine Rose für die Dame: Natalie Karl als Alice Ford und Lucio Gallo in der Titelrolle aus Giuseppe Verdis letzter Oper „Falstaff“.

Eine Rose für die Dame: Natalie Karl als Alice Ford und Lucio Gallo in der Titelrolle aus Giuseppe Verdis letzter Oper „Falstaff“.

Foto: Paul Leclair

Es lässt sich prima darüber streiten, ob die Worte „Tutto nel mondo è burla – Alles ist Spaß auf Erden“, die das Personal aus Giuseppe Verdis komischer Oper „Falstaff“ in der gewaltigen Schlussfuge anstimmt, das Resümee nur dieser Geschichte über den trinkfreudigen Titelhelden sind, oder vielleicht doch sein eigenes (Musiker-)Leben meinen. Erstaunlich ist jedenfalls, dass der 80-Jährige sich für seinen Schwanengesang der Komödie zuwandte.

Im Deutzer Staatenhaus hat Dietrich W. Hilsdorf das Werk für die Kölner Oper auf die Bühne gebracht und macht darin ebenso wie der Dirigent Will Humburg am Pult deutlich, dass Verdi sich nicht mit einem Augenzwinkern verabschiedet, sondern mit einem lauten Lachen. Das überaus plastische und mitreißende Spiel des links neben der Bühne platzierten Gürzenich-Orchesters und die Aktion auf der Bühne gehen dabei ganz geschmeidig Hand in Hand, von der subtilen Andeutung bis zum brachialen, von knatternden Posaunen begleiteten Scherz.

Hilsdorf, der den Shakespeare'schen Ritter vor elf Jahren schon einmal in Essen auf die Opernbühne brachte, musste die Komödie diesmal mit den beschränkten technischen Möglichkeiten der Deutzer Ersatzspielstätte meistern, was ihm und seinem aus Renate Schmitzer (Kostüme) und Dieter Richter (Bühne) bestehenden Team allerdings blendend gelungen ist. Die Präzision seiner Arbeit zeigt sich vor allem in den großen Ensembleszenen wie am Schluss des zweiten Aktes, wo Dr. Cajus (Martin Koch) und Ford (Nicholas Pallesen) eine wilde Jagd auf Falstaff anführen, an deren Ende der dicke Ritter erst in einem Wäschekorb und dann in der Themse landet. Das hat Tempo, Witz und besticht durch Details, wenn etwa Dr. Cajus ein Hörrohr aus seinem Arztköfferchen nestelt, um dem Geschehen hinterm Paravent zu lauschen.

Die Wirtshausszene des Anfangs spielt vor einem Vorhang, der ein Renaissance-Genrebild zeigt. Handlung und Musik beginnen buchstäblich mit einem Nadelstich, den Dr. Cajus ins Hinterteil eines Opfers setzt, und nehmen sofort Fahrt auf. Der Titelheld sitzt an der Wirtshaustafel auf einem Barbierstuhl wie ein König auf seinem Thron. Man sieht: Sir John Falstaff ist ein Mann, bei dem unerschütterliches Selbstbewusstsein und gestörte Selbstwahrnehmung eine ungute Allianz bilden. Ein Mann mit einer Riesenklappe, der sich aber nicht einmal ein paar Socken leisten kann. Lucio Gallo spielt ihn mit Halbglatze und künstlichem Bauch unterm fleckigen Frack (den er später gegen den eines Posaunisten austauscht) mit hinreißendem Komödiantentum. Gallo ist zudem ein Sänger von Rang, der seine mächtige Baritonstimme variantenreich zu führen versteht.

Für das zweite Bild muss Hilsdorf nur den Gemälde-Vorhang beiseite ziehen, und schon verlängert sich der Wirtshaustisch zu einer edlen Tafel, an der die von Falstaff genarrten Damen auf Rache sinnen. Dabei besticht die Inszenierung durch die Präzision der Personenführung, die jede Figur zu einem eigenen Charakter formt, vom Charme der listig-derben Mrs. Quickley (Dalia Schaechter) bis zum ebenso unsympathischen wie biederen Ford. Natalie Karl ist eine großartige Alice, Adriana Bastidas Gamboa besticht als Meg. Ralf Hochbauer und Lucas Singer spielen die etwas tumben Ganoven Bardolfo und Pistola. Dieses Solistenensemble leistet insgesamt Beachtliches, beherrscht das Spiel auf der Bühne ebenso wie das komödiantischen Parlando des Gesangs. Für ariose Linien ist einzig das junge Paar mit Emily Hindrichs als Nannetta mit schön leuchtendem Sopran und Liparit Avertisyan als tenoral glänzenden Fenton zuständig. Zum begeisterten Schlussapplaus, der auch den von Andrew Ollivant bestens vorbereiteten Chor einschloss, ließ sich einzig Hilsdorf nicht blicken. Er sei zu erschöpft gewesen, erklärte die Pressestelle der Oper.

Termine: 4., 6., 10., 12. und 16. November. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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