Neues Programm "Milchbrötchenrechnung" Komiker Johann König im großen GA-Interview

BONN · Seine „Helikoptereltern“ sind der Renner im Radio. Zurzeit ist der Kölner Komiker Johann König zudem als Jury-Präsident beim Deutschen Comedy-Preis tätig. Und danach setzt er seine Tournee mit dem Programm "Milchbrötchenrechnung“ fort.

Der Komiker Johann König hat reichlich zu tun, er ist Präsident der Jury. Die Gala in den Brainpool-Studios in Köln-Mülheim wird aufgezeichnet. Ausstrahlungstermin ist der 27. Oktober (siehe Infokasten). Im Anschluss daran setzt König seine Tournee fort. In „Milchbrötchenrechnung“ gibt er den Bio-Komiker. Und in seiner Radio-Kolumne „Helikoptereltern“ fühlt er modernen Erziehungsmethoden auf den Zahn. Mit Johann König sprach Heinz Dietl.

Herr König, was ist eine Milchbrötchenrechnung?

Johann König: Das ganze Leben ist eine Milchbrötchenrechnung, schlimmer noch als bei der Milchmädchenrechnung. Man macht viele Sachen, bei denen man denkt, sie sind gut, und am Ende sind sie doch nicht richtig.

Ein Beispiel, bitte.

König: Meine Frau hat Bio-Rindfleisch gekauft. Aber: Ein Bio-Rind lebt viel länger, stößt also auch mehr Methan aus und liegt in der CO2-Bilanz vielleicht nicht besser als das konventionelle Rind. So tappen wir immer wieder in Fallen.

Deshalb nennen Sie Ihr Programm „die erste nachhaltige Comedy-Show der Welt“?

König: Ich will niemanden belehren. Aber ich achte auf nachhaltigen Konsum. Meine Mutter hatte einen Bioladen, ich bin mit dem Zeug aufgewachsen, habe als Kind im Bioladen mein erstes Taschengeld verdient. Ich beschäftige mich mit dem Thema, mache mich aber auch lustig über Ernährungsfragen.

Noch ein Zitat auch Ihrer Ankündigung: „König holt das Publikum da ab, wo es gar nicht ist“. Wie geht das denn?

König: Das bedeutet: Mein Publikum hat eine Erwartung, die gar nicht erfüllt wird. Beispiel: Ich singe und tanze in diesem Programm, bin sehr laut und sehr schnell. Für viele Fans bin ich immer noch der verstockte Typ, der mit einer komischen Stimme nur Gedichte in sein Buch nuschelt. Das trifft nicht mehr zu.

Wir unterhalten uns gerade sehr normal, sie formulieren Ihre Antworten als Johann König. Manche Komiker verlassen ihre Rolle selbst bei Interviews nicht. Ist das Leben mit einer Bühnenfigur anstrengend?

König: Ich rede jetzt normal, aber auf der Bühne wäre das nicht lustig. Bei mir ist es eine Mischform. Manche fragen sich: Meint er das jetzt ernst oder nicht. Um ehrlich zu sein: Manchmal weiß ich es selber nicht.

War das schon immer so?

König: Meine Mutter hat das wahnsinnig gemacht. Sie wusste nie, ob ich „Nein“ meine, wenn ich „Nein“ sage. Sie erkennt aber auch, dass ich heute dadurch auf der Bühne eine gewisse Spannung erzeuge.

Woher kommt diese brüchige Stimme?

König: Als ich vor gut 15 Jahren mit Comedy anfing, war ich auf der Bühne richtig nervös. Das war echte Nervosität, keine Inszenierung. Ich werde sogar heute noch nervös, wenn ich mir alte Fernsehauftritte anschaue.

Hatte das mit dem Medium Fernsehen zu tun?

König: Das Problem ist: Man hat bei solchen Auftritten etwa vier Minuten Zeit, und die Nervosität hielt sich bei mir auch diese vier Minuten lang.

Wie ist das im Theater?

König: Bei zwei Stunden Show ist die Stimme nur die ersten Minuten brüchig, dann verfliegt das. Trotzdem möchte ich von den Scheinwerfern stets so angestrahlt werden, dass ich niemanden sehen kann. Da ist nur eine schwarze Masse, die Geräusche macht. Würde ich Gesichter sehen, wäre ich wieder nervös.

Sie sind gelernter Sportlehrer. Wann haben Sie festgestellt, dass man mit lustigen Sachen mehr Geld verdienen kann?

König: Ich bin mit meinen Gedichten in Köln zu kleinen Auftritten geradelt und dachte, das bleibt mein Hobby. Dann hatte ich an der Sporthochschule die letzte mündliche Prüfung vor dem Staatsexamen. Ich hatte die Prüfung mit einer Vier gerade so bestanden. Die Prüfer fragten, warum ich so nervös gewesen sei. Ich sagte: Ich habe heute noch einen Auftritt in der „Harald Schmidt Show“ und werde gleich von einem Fahrer abgeholt.

War das die Initialzündung?

König: Ich wurde von diesem Fahrer zur Show gebracht, bekam irgendwie 1000 Mark für den gleichen Quatsch, den ich vorher auf den Clubbühnen für 50 Mark gemacht hatte. Es war die große Zeit von Harald Schmidt mit immensen Quoten. Noch an diesem Tag habe ich mich im 19. Semester exmatrikuliert.

Ihre aktuelle Kolumne „Helikoptereltern“ im Radio trifft den Nerv der Zeit. Was läuft falsch in der heutigen Kindererziehung?

König: Mit meinen drei kleinen Kindern bekomme ich einiges mit. Heute fahren alle Kinder mit Helm, keiner klettern mehr auf den Baum, und wenn, dann klettern die Eltern aus Fürsorge gleich mit. Früher sind wir unangeschnallt nach Italien gefahren, der Vater hat im Auto geraucht, das ist auch gut gegangen.

Woher kommt das heutige Sicherheitsbedürfnis?

König: Die erhöhte Angst ist statistisch nicht begründbar. Es gibt weniger Unfälle, weniger Kindesentführungen. Doch gefühlt passiert mehr, weil durch die sozialen Medien jeder Unfall, jedes Verbrechen in Sekundenschnelle verbreitet wird. Daraus ergibt sich erhöhte Angst, auch wenn der Begriff nicht passt: Helikopter sind groß und laut, die Überwachung der Kinder vollzieht sich eher leise und heimlich.

Wäre „Drohneneltern“ vielleicht besser?

König: Ja. Das Kind bekommt eine App aufs Handy, die Eltern wissen immer, wo es sich befindet. Auch „Curlingeltern“ würde passen: Eltern, die alles aus dem Weg räumen.

Was passiert dabei mit den Kindern?

König: Sie verweichlichen. Wenn man Kindern die Probleme nimmt, beraubt man sie ihrer Entwicklungsmöglichkeiten. Denn: Die seelische Muskulatur wird dadurch gestärkt, dass man Probleme hat und sie bewältigt.

Nun sind Sie aktuell noch beim Comedy-Preis als Präsident der Jury zugange. Kann es eine Jury jedem recht machen?

König: Kritik gibt es immer. Die einen fragen, warum dauernd die „Heute-Show“ gewinnt. Und wenn sie mal nicht gewinnt, fragen andere, warum sie nicht gewonnen hat, wo sie doch die beste Satire-Show ist.

Gibt es einen Generationenwechsel bei Künstlern und Publikum?

König: Klar. Ältere Generationen vermissen vielleicht die feinsinnigen Sketche eines Loriot. Doch einen Loriot wird es nicht mehr geben. Die jungen Leute interessieren sich mehr für soziale Medien und lachen lieber bei Luke Mockridge. Luke oder auch Bülent Ceylan sich richtige Popstars, die kommen mit großer Musik auf die Bühne und schütteln die Haare.

Das Comedy Festival findet zum 27. Mal statt, den Preis gibt es zum 21. Mal. Wie ist es bestellt um den deutschen Humor?

König: Alles, was Erfolg hat, hat auch seine Berechtigung. Und jeder Geschmack wird bedient. Es gibt viele interessante Künstler. Man sollte sich selbst informieren, in die kleinen Theater gehen. Man kann nicht erwarten, dass einem das Fernsehen immer alles schön serviert.

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