Kommentar: Bonn in Berlin

BONN · Man muss schon sein Langzeitgedächtnis bemühen, um die letzten Auftritte des Bonner Theaters beim Berliner Theatertreffen zu erinnern.

1999 fuhren Regisseur Valentin Jeker und sein Ensemble nach Berlin, um dort Gerhart Hauptmanns "Rose Bernd" vorzustellen. Wer beim Theatertreffen auftritt, spielt in der Champions League der deutschsprachigen Bühnen; auch die Schweiz und Österreich sind vertreten.

Jeker schaffte es gleich zwei Mal, mit einer Bonner Produktion zum Schaulaufen der Meister. 1993 vertrat er das Bonner Schauspiel mit Büchners "Wozzeck". Drei Jahre später reiste David Mouchtar-Samorai an die Spree, er zeigte "Der große Knall" von Arthur Miller - made in Bonn. Das alles geschah in der Zeit, als Manfred Beilharz Herr über Oper, Schauspiel und Tanz war, als in Bonn noch Milch und Honig flossen. Danach musste gespart werden, Klaus Weise trat die Nachfolge Beilharz' an und blieb trotz guter Chancen einzelner Inszenierungen erfolglos im Rennen um die begehrten Berliner Plätze.

Bis gestern Morgen, als ihn der Anruf des Theatertreffens erreichte. Weise zeigte sich sichtlich erfreut darüber, einmal nicht über Finanzen und Sparkonzepte reden zu müssen, sondern über Kunst und den Erfolg der Produktion von Ibsens "Ein Volksfeind": "Da sind wir richtig glücklich. Das lässt die Seele strahlen."Alle freuen sich, Verwaltung, Technik, Leitung und Schauspieler. Und, darf man vermuten, das Publikum. Erfolg schweißt zusammen.

Im Mai wird das "Volksfeind"-Ensemble die Kulturstadt Bonn in der Hauptstadt repräsentieren. Das kann eine erhebende Erfahrung sein. Im Berliner Schiller-Theater, in dem Valentin Jekers Inszenierung der "Rose Bernd" 1999 an drei Abenden zu sehen war, hielten die Zuschauer am Ende, spürbar beeindruckt, einen Augenblick inne. Dann schenkten sie dem Ensemble den verdienten Applaus. Es war alles so gelaufen, wie es sich Hauptmanns Direktor Hassenreuter in dem Drama "Die Ratten" ausmalt: "Das Publikum, bis zum letzten Logenschließer, ist eine einzige Gänsehaut! Schauer durchrieseln die Gebeine."

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