Arp Museum Bahnhof Rolandseck Konfrontation von Nazarenerfresken mit Arbeiten von zwölf Künstlerinnen

remagen · Unter sich im Stillen der alten heiligen Kunst nachzuarbeiten", nicht mehr und nicht weniger wünschten sich Friedrich Overbeck und seine deutsche Malerbrüderschaft der Nazarener im Rom des frühen 19. Jahrhunderts. Sie orientierten sich an Dürer, Holbein, Giotto und Raffael, liebten religiöse Themen, praktizierten einen kühlen, bisweilen anämischen, auf Perfektion zielenden Malstil, übten sich in religiös übersteigertem Pathos.

 Konfrontation im Arp Museum: Monumentale Apostelbilder von Johann von Schraudolph (1846) treffen auf Heike Webers filigranen "Kilim" aus Silikon.

Konfrontation im Arp Museum: Monumentale Apostelbilder von Johann von Schraudolph (1846) treffen auf Heike Webers filigranen "Kilim" aus Silikon.

Foto: Gausmann/Arp Museum

Es gab allerhöchste Protektion durch den bayerischen König Ludwig I., der etwa Johann von Schraudolph beauftragte, 1846 den Speyrer Dom auszumalen. Er tat dies unter anderem mit riesigen Apostelfiguren und einer Marienkrönung in der Domkuppel. 1960 nahm man die Fresken ab und brachte sie ins Depot. Kein Interesse mehr an dem Nazarener Schraudolph.

Soweit die wichtige Vorgeschichte zu einer problematischen Ausstellung im Arp Museum Bahnhof Rolandseck, die die Apostelbilder nach über 50 Jahren wieder in die Öffentlichkeit und Diskussion bringt, ohne diese fremd gewordene Kunst zu erklären oder in den Kontext ihrer Zeit einzubetten. Das soll erst ab Juni eine große Nazarener-Schau im Landesmuseum Mainz leisten. Bis dahin müssen sich Schraudolphs zwölf monumentale Apostel mit der Rolle als Stichwortgeber für zwölf Künstlerinnen unserer Tage zufriedengeben. Dem Nazarener wird das nicht gerecht - und die Künstlerinnen der Ausstellung "Die Eroberung der Wand. Nazarenerfresken im Blick der Gegenwart" fremdeln spürbar mit den goldgrundigen Aposteln.

Gleichwohl hat Kuratorin Jutta Mattern ein spannendes Dutzend zusammengeholt, das sich mitunter sehr intensiv mit der Architektur des Arp Museums und dem Thema Freskenmalerei befasst, beim Zugang auf den Nazarener und seine Inhalte aber sehr an der Oberfläche bleibt.

Mit einem komplexen Computer-Quellcode an der Wand, der den Meierbau "erklärt", empfängt Karin Sander den Besucher im Verbindungstunnel. Fides Becker holt mit delikater Wandmalerei Impressionen aus dem historischen Festsaal des Bahnhofs in den Neubau. Heike Weber widmet sich dem Boden mit einem mittels Silikon-Kartusche "gemalten" Teppich voller abendländischer und orientalischer Ornamente. Sie setzt das billige Silikon in eine ironische Beziehung zum Goldgrund der Apostel. Mit Blattgold hat Ariane Epars die Umrisse der Apostelbilder auf die Glasfassade des Meierbaus übertragen. Christiane Löhr lotet mit einer "Kleinen Haarsäule" aus filigran geknotetem Pferdehaar den zehn Meter hohen Raum aus. Das alles sind Positionen, die in erster Linie auf die Architektur reagieren. Der wahrscheinlich schwierigste Ansatz war, auf die Spiritualität des Nazareners zu antworten. Dorothee von Windheim setzt den Aposteln 13 Augenpaare vom "Schweißtuch der Veronika" entgegen. Arg naiv entwickelt Hadassah Emmerich auf grellfarbig gespraytem Grund ein Potpourri christlicher (Van Eycks Madonna vom Genter Altar) und ozeanischer (Gauguins tahitianische Prinzessin) Spiritualität. Bei Johanna Reichs Performance-Video, in dem die bemalte Wand allmählich zum flammenden Inferno wird, springt buchstäblich der Funke über.

Malerisch weitgehend verunglückt, von der Idee her aber fesselnd ist Sonja Alhäusers buntes interaktives Fresko, das den Kräuterkult rund um die Apostel um Geruchserlebnisse bereichert: Der Besucher darf den Finger im Wasserbecken benetzen und dann ätherische Stoffe vom Bild reiben. Kryptisch bleiben hingegen Zilla Leuteneggers Etüden zu den Merseburger Zaubersprüchen, während sich Martina Kleins minimalistische Farbbahn-Experimente auf einer sehr sinnlichen Ebene mit den Nazarenerfresken auseinandersetzen. Star der Schau ist Franziska Nast, die nicht nur Paradiesvisionen auf Richard Meiers Säulen tätowiert hat, sondern auch noch Batman als Inkarnation des neuzeitlichen Heiligen und Schutzengels durch die Lüfte segeln lässt.

Arp Museum Rolandseck, Remagen; bis 9. September. Di-So 11-18 Uhr. Eröffnung: 25. März, 11 Uhr

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