Musik und Dichtung in Bonn Konzert im Dialograum Kreuzung an Sankt Helena

BONN · "weit" war das Motto des 42. Wortklangraumes Musik und Dichtung im Dialograum Kreuzung an Sankt Helena, zu dem Michael Denhoff mit seinen Interpreten Jan Gerdes (Klavier & Zuspielung) und Birte Schrein (Rezitation) einen reizvollen kompositorischen Bogen zusammengestellt hat.

Gerdes, ein ausgewiesener Spezialist für neue Musik, eröffnete mit Alexander Skrjabins 2 Morceaux op. 57 aus dem Jahr 1908, in der musikalisch ungemein spannenden Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts - wie Denhoff bemerkte -, als das Dur/Moll-System aufbrach und sich die Tonalität erweiterte.

Dazu las Schrein vom Ensemble des Schauspiel Bonn kurze Verse von Werner Lutz "wie leicht mein gepäck ist / vielleicht kann ich / weiter kommen / als ich dachte / möglicherweise / über mich hinaus". Auch die Erfindung des Automobils fiel in diese Zeit. Die neue Mobilität machte Lust auf "Weite", die Octave Mirbeau in seiner Widmung an Monsieur Charron und humorvoll in dem Kapitel "Und deshalb liebe ich mein Automobil" (aus: 628 - E8) beschreibt, zu dem Alexander Mossolows 2 Nocturnes op. 15 aus den Jahren 1925/26 erklangen, die Gerdes fein nuanciert vortrug.

Ganz sachlich ging es darauf in "Einsteins Traum" des Physikers Stephen W. Hawking zu, der Vorteile darlegt, wenn die reale Zeit durch eine imaginäre Zeit erweitert wird. Gute 20 Minuten freie improvisatorische Zeiteinteilung in der Zuspielung mit Tonband prägte Luigi Nonos "...sofferte onde serene...", das er 1976 für Maurizio Pollini schrieb. Beat Furrers "Voicelessness. The Snow has no voice" (1986) brachte Gerdes ebenso intensiv zu Gehör wie abschließend Skrjabins virtuos anspruchsvolle Sonate Nr. 4 Fis-Dur. Birte Schrein beschloss den Abend mit Rilkes "Mach mich zum Wächter deiner Weiten.". Herzlicher Applaus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Aus dem Ressort