Konzert von Burna Boy in Köln 105 Minuten voller Wunder
Das Afrobeat-Idol Burna Boy spielt vor nostalgisch anmutender Kulisse in der ausverkauften Kölner Arena. Er liefert ein phänomenales Feuerwerk aus Beats, Grooves und positiven Vibes ab. Am Ende bleibt nur eine Frage offen.
105 Minuten lang gibt es eine Stadt in der Stadt. Sie liegt mitten in der Kölner Arena und hat schon bessere Zeiten gesehen. Die roten Backsteinmauern sind marode, die Scheiben der Fenster blind, die Geländer rostig. Weder im „City Boys“-Barber Shop, der sieben Tage die Woche geöffnet sein soll, noch im Lebensmittelsgeschäft „Giza“ herrscht Betrieb, auch die Redaktion des „I Told Them…“-Magazine ist verwaist. Und dennoch steckt sie voller Leben, Dynamik und Energie. Sprudelnd, vibrierend, mitreißend.
Dafür sorgen, vor dieser nostalgisch anmutenden Kulisse, die auch als Bühnenbild für „West Side Story“ herhalten könnte, Burna Boy, seine Tänzerinnen und Tänzer, Musikerinnen und Musiker. Letztere sprengen mit einem Extra-Percussionisten, einer Brass-Section und später dann auch noch einer Steelband und einem Streichquartett das klassische Line-Up. Alles live, nix vom Band. Und ganz, ganz großartig. Während im Background drei Stimmen für Verstärkung sorgen, agiert der nigerianische Superstar vor allem in dem Bereich, der der Bühne weit vorgelagert ist. Eine quadratische Plattform wird hier zum blinky Dancefloor. Umringt von Tänzerinnen legt der 32-Jährige schon beim Intro eine 1A-Choreografie hin. Nur zwei Städte in Deutschland kommen in den Genuss, ihn auf seiner „I Told Them…“-Tour erleben zu dürfen. Nach Berlin am Samstag ist Köln am Sonntag die letzte Station. Die Kölner Arena ist ebenso ausverkauft wie die in Berlin.
Das, was Damini Ogulu, wie das Afrobeat-Idol mit bürgerlichem Namen heißt, im Vorfeld versprochen hat, macht er zur Gänze wahr: „Die Leute sollen die volle Burna Boy-Erfahrung bekommen. Meine Live-Shows triggern einen anderen Sinn. Du bekommst nicht nur die Musik zu hören und zu spüren, du erlebst auch die Gefühle. Sie umgeben dich wie eine fette Umarmung.“ Oder, um es kürzer, so wie in Köln, auf den Punkt zu bringen: „Das ist Seele. Auf dem höchsten Level.“
Zwischen Youssou N´Dour und hartem Rap
Dafür und für seine warme Stimme, die ein bisschen an den jungen Youssou N´Dour erinnert, die sehr melodisch und bluesig klingen kann, aber auch das harte Rappen drauf hat, mit einem groovig-rhythmischen Flow, der sich sprachlich aus einer Mischung aus Englisch und Yoruba nährt, lieben ihn seine Fans. Sie sind angetreten mit Fächern und Faltenröcken, nigerianischen Flaggen und einem fulminanten Faible für Shayo (Feiern mit viel Alkohol) und Igbo (etwas, das man rauchen kann). Wobei dann, im Überschwang berauschter Gefühle, auch schon mal ein mit Pailletten besetzter BH in Richtung Burna Boy fliegen kann, der ihn prompt auffängt und wie eine Trophäe durch die Luft schwenkt.
Inmitten dieses phänomenalen Fegefeuers der Beats, Grooves und (postiven) Vibes, das als Seelen- und Herzmassage Aufnahme in den Heilmittelkatalog verdient hätte, wundert man sich bloß, wie es der Senkrechstarter aus Westafrika schafft, den ganzen Abend mit einem Gästehandtuch auszukommen. Auch dass dieses kleine Stück Stoff in der Lage ist, all den Schweiß, der da literweise fließt, in sich aufzusaugen, grenzt an ein Wunder. Eines von vielen bei diesem denkwürdigen Konzert.