Live Music Hall in Köln Kraftwerk-Aushilfsarbeiter Karl Bartos zu Gast in Köln

KÖLN · Der Moment des größten Triumphs ist für Karl Bartos auch ein Augenblick der Ernüchterung. In den Jahren 1975 bis 1990 war er in der Reihe der namenlosen Klang-Dummies von Kraftwerk "der Zweite von links". Als ausgebildeter Schlagzeuger war er für den Rhythmus des futuristischen Mensch-Maschine-Sounds verantwortlich.

 Lasst Computer um mich sein: Karl Bartos in der Live Music Hall in Köln.

Lasst Computer um mich sein: Karl Bartos in der Live Music Hall in Köln.

Foto: Thomas Brill

Kraftwerk wurde dafür am Sonntag in New York mit einem Grammy fürs Lebenswerk ausgezeichnet, zusammen mit den Beatles, ihren Vorbildern, die wie sie Musik und Kunst zusammenbrachten. Karl Bartos wurde zu dieser Feier nicht eingeladen - auch nicht von Ralf Hütter, mit dem er den Hit "Das Model" komponierte. Die Kälte der Musik von Kraftwerk fin-det in der Gefühlsneutralität ihrer Beziehungen eine Entsprechung. Bartos war nur ein Aushilfsarbeiter - wenn auch für 15 Jahre.

Mit seinem Soloalbum "Off The Record" gelang ihm jetzt ein Album, das von der Kritik als Werk gefeiert wird, zu dem Kraftwerk heute nicht mehr imstande sei. Das Cover des Album zeigt Bartos in seinem legendären Roboterkonterfei. Im Konzert in der Kölner Live Music Hall zeigt er sich ohne jede Kraftwerk-typische Stilisierung als Mensch, der zusammen mit Mathias Black (links) und Robert Baumanns (rechts) eine kraftvolle elektronische Musik zu Videoeinspielungen aufführt, die zusammen als Episodenfilm ge-sehen werden können.

Er beginnt das Konzert mit den frühen Kraftwerk-Stücken "Nummern" und "Computerwelt". Gegenüber dem Original wirken sie mit moderner Technik weniger als ein Fiepen aus seltsamen großen Kästen als ein bedrohliches Spiel von Nummern, das uns zu beherrschen droht. Bartos bedient sich ohne Skrupel aus der Zusammenarbeit mit "seiner" Band Kraftwerk. Es folgen "Das Model", "Transeuropa-Express" und "Roboter". Wie gut sein neues Album ist, zeigt "Atomium", das er nach "Roboter" spielt.

Es ist ein kraftvolles, vokoderverzerrtes Stück, das Technikglauben und -kritik vereint und "Aufstieg und Fall des Atomzeitalters" in einem Bild vereint. In der folgenden "Nachtfahrt" fährt der Romantiker Bartos ohne Sprachverfremdung "die ganze Nacht, bis ich bei dir bin".

Das klingt nach Neuer Deutscher Welle, deren musikalischer Wegbereiter Kraftwerk auch war. "Mit "Musica Ex Machina" folgt ein fast tanzbares Elektrostück. Das Ende des Konzerts gehört Stücken aus dem Album "Communication" von 2003, das mit "15 Minutes Of Fame" einen Höhepunkt des Abends liefert. Mit welchem Gefühl geht man aus dem Konzert? Nostalgie, Nachdenklichkeit und einem Rhythmus, der schwerelos erscheint.

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