Krautrock und Klanggewitter von Bonn nach Köln

Nektar fasziniert das Publikum in der Harmonie, die Gruppe Unheilig mischt das Kölner Palladium auf. Die Lieder verbinden beide Städte am Rhein.

Krautrock und Klanggewitter von Bonn nach Köln
Foto: Horst Müller

Harmonie. Spielen sie nun Krautrock oder Progressive Rock? Eine Frage, die Nektar bereits ihre ganze, vierzigjährige Karriere begleitet, und man darf sich sicher sein, dass auch der Abend in der bis auf den letzten Treppenplatz gefüllten Harmonie keine Antwort liefern konnte.

In jedem Fall sind Nektar nicht ganz typische Vertreter ihrer Zeit. Einerseits haben sie wie die großen britischen Progressive-Helden Genesis oder Yes lange Songs mit fantastisch-benebelten Titeln wie "Dream Nebula" oder "King Of Twilight".

Andererseits haben sie ein paar deutsche Mitglieder und einen deutschen Namen, was schon das Krautrock-Etikett erklärt und auch ein Grund sein mag, warum die Band um den englischen Gitarristen und Sänger Roye Albrighton in Deutschland ihre größten Erfolge feiern konnte.

Das Echo dieser Erfolge ist in der Harmonie deutlich zu spüren: Jeden Song, ob uralt oder vom jüngsten, gerade mal zwei Jahre alten Album "Book of Days", begrüßt das Publikum mit größtem Jubel.

Da macht es nichts, dass der Gesang nicht mehr so klar ist wie einst und manch mehrstimmiger Teil bedrohlich in Schieflage gerät - Nektar haben nichts von ihrer Wirkung verloren.

Am Ende stellt Albrighton zur Zugabe noch eine Frage: "Wollt ihr Progressive-Zeug oder einfach nur Rock?" Erneut ist die Antwort völlig egal. Wichtig ist, dass Nektar noch da sind. Und davon konnte man sich in der Harmonie überzeugen. Tobias Blum

Palladium. Was im Mittelpunkt steht, ist sonnenklar. Zur Einstimmung singt Hans Albers "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins", den Bühnenhintergrund beherrscht ein hoch aufragender Schiffsrumpf, und die Videos zeigen immer wieder Bilder von Strand, Wellen und Dünen.

Folgerichtig heißt das erste Stück "Das Meer". Auf "Große Freiheit Tournee 2010" legen die Chartstürmer "Unheilig" im Kölner Palladium an und liefern eine grandiose Show.

Das Konzert ist rausverkauft. Wenn der Graf und seine Besatzung an Bord bitten, dann besteht kein Anlass, S.O.S. zu funken. Auch wenn die Stücke von der letzten, Ende Februar 2010 veröffentlichten CD solche Titel tragen wie "Seenot" oder "Abwärts".

Der Sog dieser Musik, die zwischen krachendem Klanggewitter und gefühlvollen Balladen changiert, mal wie Synthie-Rock und mal wie Neue Deutsche Härte klingt, immer getragen von der markig-sonoren, tieffrequenten Stimme ihres Aachener Frontmanns, erfasst sie alle:

die gruftigen Gräfinnen, die zum Konzert in seidener Ballrobe und samtenem Kapuzenmantel angetreten sind, die martialischen Nietenkerle, mit meterweise Ketten behangen und mit Handschellen an der Hosennaht garniert, und Normalmenschen. Denn auch sie zählen durchaus zu den Anhängern der Band.

Obschon die Gruppe eine starke Anziehung auf Dark-Waver und Neo-Gothics besitzt und Vergleiche mit "Rammstein" und "Deine Lakaien" herausfordert, haben die vier Unheiligen, zu denen außer dem (im wirklichen Leben bürgerlichen) Grafen, der Keyboarder und Sounddesigner Henning Verlage, der Gitarrist "Licky" und der Drummer "Potti" zählen, nicht die dunkle Seite gewählt.

Stücke wie die aktuelle Single "Geboren um zu leben" fordern dazu auf, das Dasein zu genießen, und dabei darf dann auch schon mal ein kompletter Kinderchor mit auf die Bühne. Susanne Schramm

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