John Osbornes "The Entertainer" Krisen-Komödie

Bonn · Für Jens Groß ist es ein Paradoxon: In einer Krise, die das Selbstverständnis einer Nation in Frage stellt, verfallen Gesellschaft und Politik immer in bestimmte Denkmuster.

 Scheitern mit Huhn: Glenn Goltz als Archie Rice in der von Sebartian Kreyer auf die Bühne gebrachten (Inszenierung von "Der Entertainer".

Scheitern mit Huhn: Glenn Goltz als Archie Rice in der von Sebartian Kreyer auf die Bühne gebrachten (Inszenierung von "Der Entertainer".

Foto: Thilo Beu

Dazu gehört, alles zu kritisieren, was diesen Zustand offen legt und diskutiert. "So wird das Theater, das eigentlich prädestiniert dafür ist, besagtes Selbstverständnis neu zu schaffen und zu stärken, in solchen Zeiten mit Vorliebe zur Disposition gestellt", erklärt der stellvertretende Schauspieldirektor und Leitende Dramaturg des Theater Bonn.

In der Inszenierung von John Osbornes Komödie "The Entertainer" unter der Regie von Sebastian Kreyer, die morgen in den Kammerspielen Premiere hat, spiegelt sich diese Idee durchaus wieder. Und lässt durchaus auch aktuelle Bezüge zu.

Im Zentrum der Handlung steht der Unterhaltungskünstler Archie Rice, der sich mit Händen und Füßen gegen den Niedergang der Music Halls wehrt, denen er sein Leben gewidmet hat. Immer wieder scheitert er, von der nicht minder desolaten und desillusionierten Familie belächelt und ertragen. Und immer wieder steht er auf, um aufs Neue für seine Kunst einzustehen.

"Diese Einstellung ist eigentlich der Grundgedanke eines jeden Künstlers: Immer weitermachen wollen, auch wenn der Erfolg ausbleibt", sagt Groß. Das gehört einfach dazu. "Wenn Scheitern nicht mehr Teil der Kunst ist, wäre sie nur noch Handwerk." Doch zugleich gelte es, kontinuierlich den Diskurs zu suchen, Räume dafür zu schaffen.

"Das Theater ist ein letztes großes Refugium, um gesellschaftlich relevante Themen zu diskutieren - in der Politik und den sozialen Medien findet ja kein Dialog mehr statt, da ist jede Wortmeldung nur noch Reflex."

Groß stellt klar, dass man sich in Bonn entschieden habe, die britischen Bezüge des Stücks nicht herauszustreichen und auch bewusst keine Übersetzung in die heutige Zeit zu versuchen. Der Transfer von der Situation in den 60er Jahren, als das Empire während der Suez-Krise im Nahen Osten intervenierte und ein letztes Mal seine Position als Weltmacht zu stärken versuchte, zu den aktuellen Krisen und der Suche zahlreicher Nationen nach einem Platz in der modernen Welt dürfte auch so funktionieren.

Gleiches gilt die Situation der Theater in Deutschland, gefangen zwischen den Sparzwängen angesichts leerer Kassen und dem Bedürfnis nach einer Instanz, die den Kern bürgerlichen Seins reflektiert. "Wir stehen derzeit in einer ähnlichen Kippstellung", sagt Groß, auch mit Blick auf die Bonner Kulturlandschaft.

Doch wie Archie Rice wollen auch Groß und das Bonner Ensemble nicht aufgeben. "Wenn man aufhört zu hoffen, dass etwas funktioniert, hat man bereits verloren", propagiert der Dramaturg. Das Risiko des Scheiterns gehe man ein, um den Diskurs anzustoßen. "Nur auf diese Weise lassen sich Probleme lösen, nicht mit Ideologien", ist Groß überzeugt. Dafür nimmt man auch Einbußen in Kauf.

Im Stück etwa bei der Originalmusik: "Eigentlich ist die für ein Acht-Mann-Orchester geschrieben, aber in Archies Situation, in der die Geldmittel knapp werden, hätte das nicht gepasst. Wir setzen also auf einen Pianisten und ein bewusst verstimmtes Klavier. Man muss eben mit der Not umgehen." Und hoffen, dass es irgendwann wieder besser wird.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort