Heimatabend mit Musik und Gesang Theater Bonn zeigt „Hotel Godesberg“

Bonn · Ein Heimatabend mit Musik und Gesang: Am Schauspielhaus Bonn inszeniert Rainald Grebe das Theaterstück „Hotel Godesberg“. Auch unser Autor hat sich die Uraufführung angesehen.

Vier am Boden, einer steht: (von links) Sophie Basse, Christoph Gummert, Wilhelm Eilers, Ursula Grossenbacher und Sören Wunderlich. Foto: Thilo Beu

Vier am Boden, einer steht: (von links) Sophie Basse, Christoph Gummert, Wilhelm Eilers, Ursula Grossenbacher und Sören Wunderlich. Foto: Thilo Beu

Foto: General-Anzeiger Bonn GmbH

Der Bühnenbildner Jürgen Lier hat das Spielfeld des Schauspielhauses in ein Hotel mit Rheinblick verwandelt; es heißt Hotel Godesberg. Das Panoramafenster gibt den Blick frei auf den deutschen Schicksalsfluss, auf Siebengebirge und Petersberg. Ein bisschen sieht das aus wie ein Werk der naiven Malerei. In diesen Rahmen passen die altmodisch kostümierten Hotelangestellten. Kristina Böcher (Kostüme) hat sogar Pagenuniformen und Käppis im Fundus aufgetrieben. Oben rechts in der Höhe hängt ein Rettungsring. Warum nur? Retten kann er die zweistündige, pausenlose Produktion „Hotel Godesberg“ des Autors und Regisseurs Rainald Grebe nicht. Aber davon später mehr.

Grebe und sein Ensemble aus fünf Ensemblemitgliedern und fünf echten „Menschen aus Bad Godesberg“, die am Text mitgearbeitet haben, wollen entscheidende und prägende Kapitel in der Geschichte des ehemals mondänen Stadtteils szenisch rekonstruieren. Es ist ein nostalgisch geprägter Blick zurück, weit entfernt von den „Zwei Welten“, die 2009 am selben Ort zu besichtigen waren.

Frank Heuel inszenierte das dokumentarische Theaterstück der Kölner Journalistin Ingrid Müller-Münch. Es verschloss die Augen nicht vor dem sichtbaren Niedergang der ehemaligen Diplomatenstadt, vor reduzierter Polizeipräsenz, Jugendkriminalität (mit und ohne Migrationshintergrund), rivalisierenden Gangs und Sorgen in der Bevölkerung. Grebes Abend hingegen schunkelt sich zurück in eine verlorene Zeit, die Gegenwart wird mit Hinweisen auf die marode Stadthalle, die „Angstzone“ Stadtpark und verschleierte Frauen nur kurz gestreift. Der Klimawandel auch.

Grebes Zurückhaltung kann man verstehen, seine Kernkompetenz besteht nicht darin, stadtgesellschaftliche Veränderungen (und Identitätskrisen) nach der Eingemeindung 1969 und dem Hauptstadtbeschluss 1991 zu durchdringen. Er kommt von der Comedy. Aber die tritt hier so brav, bieder und zahnlos auf, als hätte es Wes Andersons Film „Grand Budapest Hotel“ aus dem Jahr 2014 nie gegeben. Von dessen absurdem Humor hätte Grebe sich inspirieren lassen können. Aber in seinem „Hotel Godesberg“ servieren sie nur einen harmlos-piefigen Heimatabend mit Musik, Gesang, Projektionen und nicht immer schlüssig motivierten Choreografien.

Der Abend hat Züge einer Nummernrevue, denn es checken Figuren wie Marlene Dietrich, Charlie Chaplin, Adolf Hitler, Bernhard Grzimek, Liselotte Pulver und Batman ein. Natürlich auch Beethoven, für den der Empfangschef (Wilhelm Eilers) in den Brüllmodus umschaltet. Die Bad Godesbergerin Mechthild Hammerschmidt begibt sich auf eine Zeitreise und macht auch Station an der früher noch funktionsfähigen Beethovenhalle: „Mein Gott, die Beethovenhalle.“

Danach arbeiten Christoph Gummert und Sören Wunderlich (satirisch?) an der Entstehung des Grundgesetzes. Der 1949 in Bonn verortete Sketch sinkt wie ein Stein in einem seichten Gewässer. Wunderlich verkleidet sich auch als von der DDR entsandter Romeo-Agent, der eine Sekretärin (Ursula Grossenbacher) zum Geheimnisverrat verführt. Eilers verkörpert Hans-Dietrich Genscher, dessen anbiedernder, an Gäste aus Saudi-Arabien gerichteter Endlos-Monolog dankenswerterweise immer wieder unterbrochen wird.

Der „Bericht aus Bonn“ wird nachgestellt, ein Kurzwerk des 1973 in Mehlem gestorbenen Werbefilmers Hans Fischerkoesen erscheint auf der Leinwand, später treten auch Adenauer anno 1967 auf (nur kurz, er stirbt dann gleich), die SPD 1959 (Grundsatzprogramm), die Loreley, das Rheingold und ein alter Römer. Dazu erklingen die Musik eines Live-Quartetts und Lieder wie „Wenn das Wasser im Rhein gold’ner Wein wär“.

Zu einer Geschichte verdichtet sich das nicht. „Hotel Godesberg“ beherbergt Bruchstücke einer Stadtgeschichte, die es ohne roten Faden und wie zusammengewürfelt vor dem Publikum ausstellt. Inszenatorisch ergibt das nicht mehr als biederes Volkstheater. Nur einmal, als Sophie Basse mit jeder Berührung eines Objekts und jedem Schritt Stimmen aus der Vergangenheit zum Sprechen bringt, scheint so etwas auf wie Regie-Ehrgeiz.

Das sympathische Ensemble ist engagiert, aber unterfordert. Neben den Genannten spielen Rüdiger Brauer, Ulrike Morfopoulos, Ralf Reifenberg und Sue Schulze. Dank an die fabelhaften Musiker Jasin Mjumjunov, Christina Ardelean Montelongo, Jens-Karsten Stoll und Poolad Torkamanrad. Sie veredeln den Abend. Er endet mit einem Lied: „Ons Heimat es Bad Jodesberg, da kritt uns keiner fott / Mir bloose jet op Düsseldorf mit singe Mostardpott.“ Viele im Parkett sangen mit.

Die nächsten Aufführungen: 23. und 25. Februar, 3., 8., 17. und 25. März. Karten gibt es bei Bonnticket.

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