Kontroverse um Museum in Leverkusen Kulturdämmerung in Morsbroich

Bonn · Ein Gutachten empfiehlt, das Leverkusener Museum zu schließen. Die Politik sagt in der Mehrheit Nein.

Das Museum Morsbroich in Leverkusen bekommt eine Galgenfrist. Die Sparvorschläge der Kölner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG sind zwar nicht vom Tisch, aber sie werden bis Ende Juni analysiert und bewertet. Die Stadtspitze erwartet sich bis dahin „handfeste Vorschläge“. Das Szenario der Berater reichte von einer Schließung bis zum Verkauf der in 60 Jahren zusammengetragenen Kunstsammlung – beides wäre ein kulturpolitischer GAU, wie nicht nur protestierende Chefs bundesweiter Museen und der Großkünstler Gerhard Richter warnten.

Am Montag voriger Woche wurde das 112-seitige Gutachten vorgestellt, das der mit zwei Millionen Euro jährlich unterfinanzierten Kultursparte (KulturStadtLev, KSL) der hochverschuldeten Stadt Leverkusen wieder auf die Beine helfen soll. Im Jargon heißt das, das „Optimierungspotenzial der KSL“ zu erstellen. Auf dem Prüfstand stehen neben dem Museum Morsbroich unter anderem das Forum, die Leverkusener Jazztage, die Musikschule, Volkshochschule und Stadtbibliothek.

Geringe Besucherzahlen, hoher Zuschuss sind die Eckdaten des Gutachtens für das Museum. Das Fazit und die Empfehlung lauten: „Sämtliche Aktivitäten des Museums einzustellen.“ Am Montagabend wurde das Papier nun im Rat besprochen.

Bei der Eröffnung der Sitzung sagte OB Uwe Richrath (SPD), sein Wunsch und Ziel sei es, den Eigenbetrieb für die Zukunft so aufzustellen, dass das Museum Morsbroich im Leverkusener Schloss erhalten bleibe. Gleichwohl kritisierte er die geringen Gewerbesteuereinnahmen und die Lasten für die Unterbringung von Flüchtlingen. Für ihn beginne jetzt ein Prozess, „gemeinsam mit dem Rat und der Bürgerschaft Wege und Instrumente finden, die nicht zerschlagen, sondern erhalten“.

Die Fraktionen waren sich in der Opposition zu den Vorschlägen der KPMG bis auf die Bürgerliste und Pro NRW einig. Von „Schließung nicht vorstellbar“ (CDU) bis zum „Tabu Schließung des Flaggschiffs der kulturellen Bemühungen der Stadt“ (SPD) reichte die Einheitsfront. Von einer „schamlosen“ Diskussion war die Rede.

Die Rheinische Post zitiert Erhard Schoofs von der Bürgerliste, der das Museum in der Vergangenheit immer wieder zur Disposition gestellt hatte: „Jetzt schmettern alle ein großes Nein hinaus und keiner sagt, an welcher Stelle er dafür denn im städtischen Haushalt etwas streicht. Wenn es da keine Lösung gibt, dann geht die Stadt in die Insolvenz, und wir lassen uns fremdverwalten.“

Wie der auch von OB Richrath geforderte Lösungsweg aussehen könnte? Bei Roswitha Arnold, Fraktionsvorsitzende der Grünen, Vorsitzende des Kulturausschusses und des Betriebsausschusses der KSL, heißt es momentan: „abwarten“. Sie ist „skeptisch, ob das nicht nur ein Ablenkungsmanöver ist“ und woanders effektiver zu sparen sei.

Das Museum ist für sie „absolut untouchable“, unangreifbar. „Ich hätte das Thema gerne vom Tisch gehabt“, sagte sie dieser Zeitung, „was jetzt passiert, beschädigt das Museum“. Allen, die eine neue Konzeption für Morsbroich fordern, sage sie, das Haus habe eine „ausgezeichnete Konzeption“. Diskussionen über Besucherzahlen nerven sie: „Bei der Investition in Kultur darf man sich nicht nur auf Wirtschaftsdaten konzentrieren.“

Ähnlich denkt die FDP-Fraktion in Gestalt ihrer Fraktionsvorsitzenden Monika Ballin-Meyer-Ahrens, die das Museum erhalten will, es aber „auf populärere Füße stellen will“. „Morsbroich hat europaweites Renommee, aber kein Leverkusener geht hin“, sagte sie dieser Zeitung, „wir müssen mehr Bürger ansprechen in dieser Stadt, aber davon sind wir meilenweit entfernt“. Zur Not müsse es halt ohne Direktor Markus Heinzelmann weitergehen, meinte sie. Er habe sich ihrer geforderten Bürgernähe verweigert.

„Ein Weiter so kann es nicht geben“, sagte SPD-Fraktionschef Peter Ippolito auf Anfrage. Und es gehe nicht nur um Morsbroich, sondern etwa auch um die Musikschule, wo 400 000 Euro einzusparen seien. Ippolito will „tabulos denken“. Was das heißt? „Auch die Schließung des Schlosses wäre eine Option“, sagt er, und ein populäreres Programm.

Der gescholtene Museumschef darf sich momentan zur Lage seines Hauses nicht äußern. Die Facebook-Seite von Morsbroich signalisiert jedoch breite Rückendeckung und sichert Heinzelmann und Morsbroich eine Höchstzahl von „Likes“ aus der Museumsgemeinde. Ob das reicht?

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