Dorothea-von-Stetten-Kunstpreis Kunst auf der Massageliege

Bonn · Die Ausstellung im Bonner Kunstmuseum zum diesjährigen Dorothea-von-Stetten-Kunstpreis zeigt drei würdige Finalisten.

 Die drei Finalisten: (von links) Dan Walwin, Aimée Zito Lema und Taocheng Wang.

Die drei Finalisten: (von links) Dan Walwin, Aimée Zito Lema und Taocheng Wang.

Foto: von Schoenebeck

Dass die Kunst immer auch ein Business ist, ist bekannt und ebenso die notorisch prekäre Finanzlage, die viele Künstler dazu zwingt, sich und ihre künstlerische Tätigkeit mit allerhand Nebenjobs durchzubringen. Neu ist indessen, wie die Künstlerin Taocheng Wang diese Hindernisse in ihre Arbeit verwebt und daraus eine Rauminstallation inklusive Performance gemacht hat, die auf so vielen Ebenen stattfindet, dass leichte Schwindelgefühle beim Betrachter aufkommen.

Taocheng Wang gehört bei der aktuellen 17. Vergabe des Dorothea-von-Stetten-Kunstpreises zu den drei Finalisten, die im Kunstmuseum ihre Arbeiten zeigen und sich der Jury – sowie in diesem Jahr auch der Publikumsbewertung – stellen dürfen. Der oder die Preisträgerin wird erst heute Abend während der Ausstellungseröffnung bekannt gegeben, und auch Dan Walwin und Aimée Zito Lema haben sehr überzeugende Arbeiten abgeliefert. Aber wenn das Preisgeld von 10 000 Euro an die aus China stammende, an der Frankfurter Städelschule ausgebildete und jetzt in Amsterdam lebende Taocheng Wang gehen sollte, wäre dies nachvollziehbar.

Die 35-Jährige hat den Museumsraum in einen Massage-Salon verwandelt, in dem sich Realität und Kunst nicht mehr trennen lassen. Die Wände sind in zartem Lila gestrichen, hinter den stoffbespannten Paravents stehen drei Massage-Liegen und die Künstlerin selbst steht am Empfang, nimmt Terminwünsche entgegen und massiert ihre Kunden. Eine Stunde kostet 40 Euro, Barzahlung erwünscht, die Einnahmen erhält das Kunstmuseum. Während der Massage wird der Besucher dann sehr persönliche Geschichten erfahren, aus der Zeit, als die Künstlerin im Amsterdamer Rotlichtviertel tatsächlich als Masseurin arbeitete. Leichte Irritation kommt auch von der Wanddekoration, wo die Menschen aus den figürlichen Szenen der griechischen Vasenbilder verschwunden sind. Und am Empfangstresen liegt eine Kladde, in der Wang dokumentiert, wie sie das Budget von 5000 Euro, das ihr für die Rauminstallation zur Verfügung stand, ausgegeben hat.

Mit ihrer Installation richtet sie, indirekt und unausweichlich, Fragen an alle Beteiligten: an sich, den Besucher und an das Museum. Wie funktioniert das Zusammenspiel, wo geht das Private in das Künstlerische über und welche Rolle spielt der Betrachter, wenn er unmittelbar Teil des Kunstwerkes wird?

Auch in Aimée Zito Lemas Werk tauchen Fragen auf. Im Fall der Drei-Kanal-Videoarbeit „Rond de Jambe“ geht es um Erinnerungen, die sich in körpersprachlichen Ausdrucksformen wiederfinden. Die Künstlerin hat historische Aufnahmen einer Demonstration in Amsterdam aus den 1970er Jahren mit Ballett-Szenen kombiniert und in einem dritten Video die Körpersprache der sehr physisch agierenden Demonstranten in tänzerische Sequenzen umgearbeitet.

Wie viele körperliche Erinnerungen kann das Individuum speichern und gibt es so etwas wie ein kollektives körperliches Gedächtnis? Und schließlich sollte man sich die Zeit nehmen, um die etwa 20-minütige Videoarbeit von Dan Walwin zu erleben. Weiße Matratzen für die Bequemlichkeit und drahtlose Kopfhörer für den Sound liegen bereit. Das Video selbst ist eher kryptisch, entwickelt dennoch langsam aber sicher eine eindringliche Atmosphäre mit unterschiedlichen Szenen, die einen losen Handlungszusammenhang bilden.

Das Gefühl, selbst dabei gewesen zu sein, ähnlich wie in einem Traum, stellt sich ein und spätestens wenn man die weißen Stangen, die sich durchs Bild schieben, auch im Museumsraum entdeckt, fällt die visuelle Beunruhigung mit der räumlichen Umgebung zusammen.

Kunstmuseum Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 2, bis 25. September, Di-So 11-18, Mi 11-21 Uhr, Katalog 15 Euro. Zum Begleitprogramm gehört auch eine Massage-Performance von Taocheng Wang am 3. Juli von 12-17 Uhr. Massage-Termine können unter museummassage@yahoo.com gebucht werden.

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