August Macke Haus Kunst geht auf Reisen

BONN · Aufregende Zeiten im August Macke Haus, dessen berühmter Garten fast vollständig verschwunden ist: Der Blick in die tiefe, breite Baugrube macht nun das ambitionierte Bauvorhaben, das man bislang nur von Plänen und Computersimulationen her kennt, greif- und spürbar.

 August Mackes Kohlezeichnung "Holzfäller in Kandern" aus dem Jahr 1911.

August Mackes Kohlezeichnung "Holzfäller in Kandern" aus dem Jahr 1911.

Foto: August Macke Haus

Der angenehmen Witterung geschuldet, läuft für den Erweiterungsplan alles wie am Schnürchen. Erste Fundamente sind zu sehen, in zwei Wochen wollen die Stiftung August Macke Haus der Sparkasse in Bonn und der Verein August Macke Haus e. V. den von der Bonner Bildhauerin Petra Siering gestalteten Grundstein legen. Dann beginnt der Rohbau, dann wird der Erweiterungskomplex in die Höhe wachsen.

Für den Juni stehe die Verbindung zwischen Neubau und August Mackes Wohnhaus an, erläutert die Direktorin Klara Drenker-Nagels. Spätestens dann müsse das Macke Haus, wie wir es kennen, geräumt sein, um Zug um Zug in ein modernes, multimediales, biografisches Künstlermuseum über August Macke und seine Bonner Zeit verwandelt zu werden. Ab Mai werden die Pläne umgesetzt. So lange kann man noch das gewohnte Macke Haus besuchen, so lange noch die Highlights der Sammlung, die Drenker-Nagels zusammengestellt hat, bewundern.

Klara Drenker-Nagels hat zusätzlich zu den Macke-Klassikern im Atelier - die lesende Elisabeth von 1910, der "Akt auf gesticktem Teppich" (1913), das "Stillleben mit Strauß und Buddha" (1910) und weitere Highlights der exzellenten Macke-Sammlung - im ersten und zweiten Geschoss eine Auswahl von Arbeiten der Rheinischen Expressionisten aus dem eigenen Bestand versammelt. Wobei sie interessante Motiv-Gruppen gebildet hat, die für die Rheinischen Expressionisten exemplarisch sind, darunter Landschaften, Porträts und Kunsthandwerk-Entwürfe.

Künstler wie Carlo Mense, Fifi Kreutzer oder Henriette Schmidt-Bonn haben etwa, sensibel wie Maler nun einmal sind, die Veränderungen entlang des Rheins erkannt, der sich binnen Jahrzehnten vom Inbegriff einer märchenhaften Rheinromantik zu einer modernen, industriell genutzten Wasserstraße wandelte. Sehr eindrucksvoll ist etwa Paul Adolf Seehaus? kubistisch aufgebautes, geradezu dynamisiertes Aquarell "Industriebahnhof I" von 1917. Ein Prachtstück wie Josef Straters Gemälde "Mondlandschaft" (1923) demonstriert, wie sehr sich das Landschaftsbild gewandelt hat und zur Bühne dramatischer Effekte und Emotionen wurde: Zu sehen ist ein wackeliges Fuhrwerk in düsterer Nacht, dürftig erhellt durch einen Delaunay-Mond, dessen Strahlen durch einen expressiv bewölkten Himmel sickern.

Im Kontrast zur Industrialisierung, die in der rheinischen Landschaft ihre Spuren hinterlässt, steht das archaische Motiv des fleißigen Landarbeiters, das sich bei den Expressionisten größter Beliebtheit erfreute. Franz M. Jansens Erntewagen, Mackes Holzfäller in Kandern, die Mäher von Herm Dienz evozieren das Bild einer intakten landwirtschaftlichen Welt. Dass diese Welt nicht ganz so heil war, zeigen eine Reihe Porträts durchaus sozialkritischer Prägung von Lotte Prechner, Marie von Malachowski-Nauen und Franz M. Jansen. Unter die Haut geht der Vergleich des rührenden Blattes "Walterchen, am Tisch malend", in dem Macke 1912 sein Söhnchen zeichnete, und Paul Adolf Seehaus' "Zwei Kinder unterm Weihnachtsbaum" von 1914. Es sind die Kinder von August Macke, der Monate zuvor in der Champagne gefallen war. Die beiden Kinder haben sich abgewendet oder blicken weg, am Baum brennt keine einzige Kerze.

Ab dem 1. Mai wird das August Macke Haus etwa ein Jahr lang schließen. In dieser Zeit soll dort das neue Künstlerhaus eingerichtet werden. Und wo bleibt die Kunst? "Der Museumspädagoge wird seinen Museumskoffer packen", sagt Drenker-Nagels. Und die Originale? Große Teile der Sammlung wandern in die diversen Depots, viele der Hauptwerke von August Macke gehen auf die Reise nach Wiesbaden.

"Macke zu Besuch bei Jawlensky", unter dem Motto stehe, so Drenker-Nagels, das Gastspiel im Museum Wiesbaden, das über eine ausgezeichnete Sammlung zur Klassischen Moderne verfügt und insbesondere viele Werke des Expressionisten Alexej von Jawlensky besitzt, der 1864 im russischen Torschok geboren wurde und 1941 in Wiesbaden starb. Jawlensky lebte vor dem Ersten Weltkrieg mit seiner Lebensgefährtin Marianne von Werefkin in München, wo beide zum Kreis des "Blauen Reiter" stießen, dem auch Macke angehörte. August Macke und Elisabeth kannten Jawlensky und seine Marianne seit dem Jahr 1910.

"Wie alle Russen war er ein liebenswürdiger Gastgeber, und bei unserem ersten Besuch im Atelier sehe ich ihn noch den Tee einschenken und die dazugehörige Warenje und die Süßigkeiten, die in einem großen Glasballon untergebracht waren, anzubieten", erinnert sich Mackes Frau Elisabeth. In ihrem Buch "Begegnungen" verweist Elisabeth Erdmann-Macke auch auf eine Jawlensky-Ausstellung in Jahr 1971 im Bonner Städtischen Kunstmuseum. Vielleicht zieht "Macke zu Besuch bei Jawlensky" einen Gegenbesuch im Erweiterungsbau des Macke Hauses nach sich.

Der Zeitplan

Die Schau mit Höhepunkten der Sammlung des August Macke Hauses, Bornheimer Straße ist bis zum 1. Mai Di-Fr, 14.30-18, Sa, So 11 bis 17 Uhr zu sehen, am 1. Januar ist die Ausstellung geschlossen. Mitte Januar soll die Grundsteinlegung erfolgen . Bis Mai 2016 soll der Rohbau des Erweiterungsbaus abgeschlossen sein. Von Mai 2016 bis März 2017 erfolgt der Innenausbau, ab Oktober bis März/April 2017 ist die Gestaltung der Außenanlagen vorgesehen.

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