Bundeskunsthalle Bonn Kunsthochschule für Medien aus Köln verabschiedet sich von Reihe "Echoraum"

BONN · Der Gang zur Toilette in der Bundeskunsthalle dürfte zumindest in den nächsten Monaten für manchen zum Abenteuer werden. Männlein und Weiblein werden in die Herrentoilette gebeten, um ein ganz besonderes "Wohnklo" in einer extra für den Anlass einer Ausstellung umfunktionierten Box zu begutachten.

 Wenn Architektur ins Wanken gerät: Szene aus Clea Strackes und Verena Seibts Film "Und das Schiff fährt".

Wenn Architektur ins Wanken gerät: Szene aus Clea Strackes und Verena Seibts Film "Und das Schiff fährt".

Foto: Bundeskunsthalle

Johannes Jensen hat in wenigen Kubikmetern Raum ein beschauliches Biotop geschaffen, mit Madonnenbild, Radio, Leselampe und Klappbett. Wer den ortsüblichen Gestank ausblendet und das "Bitte nicht berühren" ignoriert, könnte sich hier einrichten.

Die Medienkünstler aus dem Experimentallabor - 1/MinusEins haben wieder vom Untergeschoss der Bundeskunsthalle Besitz ergriffen. Es ist die sechste und letzte Intervention der Kunsthochschule für Medien aus Köln, deren Studenten unter der Leitung von Professor Mischa Kuball in den letzten zwei Jahren Erstaunliches für den sogenannten Echoraum inszeniert haben.

Ab Juni wird der Bonner Echoraum von der Hochschule der Bildenden Künste in Hamburg bespielt. Die Latte liegt hoch. Für ihre Dernière haben die Kölner etliche Arbeiten entwickelt, die sich unmittelbar mit dem Ort der Ausstellung, der Bundeskunsthalle, befassen. So ging Vera Drebusch noch am Eröffnungsabend mit einem Beamer durch die Nacht und um die Bundeskunsthalle herum. Mit wackeliger Kamera wurde die Aktion im Schnee dokumentiert.

Mit buchstäblichen Verwirrungen endete Evamaria Schallers Performance "MI2" (Mission Impossible 2). Ihr Versuch, mit Hilfe von Passanten und einem Seil die Stahlsäulen vor der Bundeskunsthalle aus dem Lot zu bringen, endete mit einem erst heillos verknoteten, dann gerissenen Seil. Die Säulen blieben standhaft. Direkt mit der Bundeskunsthalle und ihrem aktuellen Programm beschäftigen sich Nicolas Pelzer mit "private Cinema" und der Video-Ausstellungsrundgang von Michael Schmitt.

Die Reise von Köln nach Bonn dokumentiert Alexander Basile: Er filmte eine junge Frau bei der Zugfahrt und ließ sie dann Pirouetten auf der Eisbahn vor der Bundeskunsthalle drehen. In extremer Verlangsamung entfaltet die Bewegung einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Was mit einer Zugfahrt durch die Realität beginnt, verweigert sich schließlich den Gesetzen von Zeit und Raum.

Die Video-Fraktion ist diesmal im Echoraum besonders gut vertreten. So haben Clea Stracke und Verena Seibt dem Erweiterungsbau der Münchner Kunstakademie durch das Architektenkollektiv Coop Himmelb(l)au ein wunderbares Denkmal gesetzt: Der Betonbau wird zum schwankenden Schiff, die Institution zum trägen Dampfer mit Schlagseite und singenden Matrosen. Lena Ditte Nissens in einem Kölner Problemviertel entstandene Film-Collage spielt mit Überwachungsvideos und Gesprächsprotokollen.

Verena Friedrich unternimmt mit ihrer komplexen Arbeit einen Ausflug in die Biowissenschaften und dringt ins Mikroskopische vor. Auf die Geschichte der Hirnforschung bezieht sich Elisa Balmaceda. Allan Gretzki hat sich von der brasilianischen Graffiti-Spielart Pixação zu einem faszinierenden Alphabet an der Wand inspirieren lassen.

Während Christoph Kilians Scheibenwischer im Zentrum der Schau eine stumme Pantomime vollführt - eine Hommage an Marcel Marceau -, drehen sich im Monitor bizarre 3D-Animationen von Jan Goldfuß und werden poetische Landschaften von Julia Weißenberg auf der Oberfläche von Pfützen erahnbar. Wunderbar ironisch ist Heidi Pfohls analoges soziales Netzwerk als fotografierte Rauminstallation: Vergesst Facebook, die gute alte Pinnwand ist wieder da.

Bemerkenswert ist die Architekturrecherche von Nico Joana Weber, die mit Millimeterpapier und Videokamera eine Bestandsaufnahme der Kölner Nachkriegszeit geschaffen hat - geometrische Trostlosigkeit trifft da auf wenige Beispiele origineller Fassadenkunst.

Changje Hong geht mit Blitzgeräten im Grünen ebenso an die Grenzen des Wahrnehmbaren, wie Carolina Redondo mit ihrem hell-oszillierenden Zwischenraum. Vollkommen jenseits des Sichtbaren bewegt sich Mia Boysens für Bonn entwickelter Geruch. Er soll Emotionen auslösen. Ein inspirierender Wunsch in einer durchweg glänzenden Schau.

Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4; bis 20. Mai. Di-So 10-19, Di, Mi bis 21 Uhr

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