Kunstmuseum Bonn bekommt bizarre Beuys-Sammlung

Ein gebastelter Hamsterkäfig, von Beuys signiert, ein dergestalt ebenfalls geadeltes Fußbänkchen und eine Angelrute der Firma Shakespeare mit einer stark verblassten Unterschrift des Schamanen vom Niederrhein. Ist alles Kunst, was vom Künstler signiert wurde? Wenn nicht, was dann? Und wer entscheidet?

Bonn. Ein gebastelter Hamsterkäfig, von Beuys signiert, ein dergestalt ebenfalls geadeltes Fußbänkchen und eine Angelrute der Firma Shakespeare mit einer stark verblassten Unterschrift des Schamanen vom Niederrhein. Ist alles Kunst, was vom Künstler signiert wurde? Wenn nicht, was dann? Und wer entscheidet?

Ein in mehreren Pappkartons verpacktes Konvolut, dessen Schenkung an das Kunstmuseum Bonn beim Kulturausschuss am kommenden Donnerstag besiegelt werden soll, wirft allerlei Fragen auf. Und sorgte schon im Vorfeld für Irritationen, die sich bis nach Bilbao zogen: Dort tagen gerade Urheberrechtler, darunter auch der Bonner Rechtsanwalt und Geschäftsführer der VG Bild-Kunst, Gerhard Pfennig, der sich gleich mit der Künstlerwitwe Eva Beuys beriet.

Was sich in den Kartons verbirgt, ist gewissermaßen Teil einer Zeitreise hin zum politischen Aktivisten Joseph Beuys (1921-1986). Der gründete 1971 gemeinsam mit seinem Künstlerkollegen Johannes Stüttgen und Karl Fastabend in Düsseldorf die "Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung", durch die der Beuyssche erweiterte Kunstbegriff seinen Weg in die Politik fand.

Ein Jahr später nutzte das Kommunikationstalent Beuys die hundert Tage der documenta 5 dazu, sein Modell einer Basisdemokratie unters Volk zu bringen. Und nicht nur das: Beuys verbreitete auch seinen Namen, signierte, was ihm unter die Finger kam, in erster Linie Ausstellungsplakate, Kataloge, aber auch Wolldecken mit Filzaufkleber, Zeitungsartikel (etwa "Aufruf zur Alternative" aus der FAZ), Postkarten, Entwürfe zu "Die Reichen müssen noch reicher werden" und Plastiktüten gegen die "Parteiendiktatur".

Das Büro in Kassel wurde nach dem "Boxkampf für direkte Demokratie durch Volksabstimmung", bei dem Beuys gegen Abraham David Christian kämpfte, geschlossen (Beuys gewann nach Punkten). Ein Tag nach Ende der documenta feuerte NRW-Wissenschaftsminister Johannes Rau Beuys, der fristlos seinen Lehrstuhl in der Düsseldorfer Kunstakademie räumen musste. Beider Politkarriere lief weiter.

Was sich damals an signierten Stücken im Haushalt von Beuys' Kampfgefährten Fastabend angehäuft hatte, wurde großteils von Dierk Müller aus dem Nachlass erworben und Ende 2009 dem Kunstmuseum Bonn angeboten. Rund 350 Positionen umfasst das Verzeichnis der Schenkung, das mit einer signierten Musiktruhe der Firma Saba beginnt.

Im Kunstmuseum begegnete man dem Beuys-Konvolut offensichtlich mit der gebotenen Skepsis, schaltete einen Gutachter ein, der eindeutig dubiose Stücke, "alles was Zweifel an Relevanz und Originalzustand nährte", sofort ausgesondert habe, sagt Kunstmuseumsintendant Stephan Berg auf Anfrage.

Der Fund entpuppte sich als interessantes Archiv, "eine Art Resonanzraum für unsere Beuys-Sammlung", sagt Berg, "unentdeckte Großtaten von Beuys aber fanden sind nicht im Konvolut." Bonn besitzt die größte Sammlung von Beuys-Multiples in Europa. Die Arbeiten aus dem Konvolut bewertet Berg ganz anders: "Wir bezeichnen sie nicht als Beuys-Werke, sondern ,als von Beuys signiert'".

Berg sieht das Konvolut als Sammlung für eine vertiefende Recherche und schätzt den Einblick in Beuys' Strategie einer Verbreitung seiner politischen Ideen. Teil dessen war auch die "Universalisierung" seines Namens durch Signatur und Stempel.

Beuys' inflationärer Gebrauch davon füllt nicht nur Pappkartons, sondern erfreut bis heute den Kunsthandel, insbesondere die Online-Auktionshäuser. Eine Stichprobe unter anderem bei ebay zeigt, wie fleißig Beuys, Fastabend und wohl auch einige Fälscher waren, und wie ergiebig, durchlässig und lukrativ der Fastabend-Nachlass bis auf den heutigen Tag ist.

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