Bürokratisches Monster Kunstmuseum soll alle drei Jahre seinen Bestand sichten

BONN · Die deutsche Bürokratie wird in Absurdistan verteidigt. Oder auch in Bonn. Da verlangen die Rechnungsprüfer der Stadt eine "vollständige Inaugenscheinnahme" der im Kunstmuseum untergebrachten städtischen Schätze. Und das nicht nur einmal, sondern alle drei Jahre.

 Intendant Stephan Berg im Depot des Kunstmuseums. Das Rechnungsprüfungsamt verlangt, dass alle drei Jahre die 7500 Exponate des Hauses gezählt und begutachtet werden.

Intendant Stephan Berg im Depot des Kunstmuseums. Das Rechnungsprüfungsamt verlangt, dass alle drei Jahre die 7500 Exponate des Hauses gezählt und begutachtet werden.

Foto: Lannert/Archiv

Und zwar im Rahmen einer "körperlichen Inventur". Das ist nichts Unanständiges. Es bedeutet vielmehr, dass das jeweilige Kunstwerk in seiner physischen Präsenz erkannt, begutachtet und mit der entsprechenden Inventarkarte verglichen wird.

"Und täglich grüßt die Inventur", so kommentierte Kunstmuseumsintendant Stephan Berg in Anlehnung an den klassischen Murmeltier-Film das Ansinnen des Prüfungsamtes. Vor dem Kulturausschuss rechnete er vor, was die "vollständige körperliche Inventarisierung" für sein Haus bedeute.

Rund 7500 Werke müssten alle drei Jahre jeweils aus diversen Depots herangeschafft, ausgepackt, von Fachleuten untersucht, wieder eingepackt und fortgeschafft werden.

Bei 30 Minuten pro Mitarbeiter und Kunstwerk kommt Berg auf 3750 Stunden, die nötig wären, um alle 7500 Kunstwerke des Museums zu prüfen.

Die "vollständige Inaugenscheinnahme" wäre, so rechnet Berg, etwa nach zweieinhalb Jahren abgeschlossen. Immerhin rechtzeitig, um sich gleich wieder an die turnusmäßige nächste Sichtung zu machen. "Das Museum beschäftigt sich nur noch mit sich selbst", meinte Berg lakonisch, "das befördert eine komplette Lähmung."

Er schlägt vor, sich auf die 500 kostbarsten Werke (Gemälde über 25.000 und Grafiken über 10.000 Euro) zu konzentrieren. Das würde einige Wochen in Anspruch nehmen und 93 Prozent des Bilanzwertes abdecken.

Kulturdezernent Martin Schumacher trägt Bergs pragmatisches Konzept und hofft inständig auf "die leise Stimme der Vernunft". Das vorgeschlagene Verfahren entspreche dem Usus anderer deutscher Museen. Noch ist offen, ob die Bonner Rechnungsprüfer Bergs Weg folgen. Mit Spannung wird auf die Ergebnisse eines Gipfelgesprächs über die Grenzen der "körperlichen Inventur" Mitte Mai gewartet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort