LVR-Landesmuseum Bonn Kunstvolles antikes Metall-Recycling

Bonn · Ob man denn tatsächlich all diese "Brösel" bewahren müsse, lautete eine Frage angesichts der - nun weniger salopp gesagt - unzähligen Bronzefragmente in der Ausstellung "Gebrochener Glanz - Römische Großbronzen am Unesco-Welterbe Limes".

 Eine Jupiter-Statue aus dem zweiten Jahrhundert im LVR-Landesmuseum.

Eine Jupiter-Statue aus dem zweiten Jahrhundert im LVR-Landesmuseum.

Foto: dpa

Dass sie sehr wohl aussagekräftig sind, wird im LVR-Landesmuseum Bonn als Ergebnis langjähriger interdisziplinärer Forschungen vorgeführt. Zweifelsfrei wird dabei auch auf die Fantasie des Betrachters gesetzt, in den teilweise sehr kleinen Fragmenten "Puzzle" von Großbronzen zu erkennen.

Hilfreich sind Umsrisszeichnungen, die etwa bronzene Locken einem augusteischen Kopf zuordnen, und mehr noch die wunderbaren, von Paolo Martellotti geschaffenen Lebensbilder, die den großen Zusammenhang der Statuensetzungen in Städten und Kastellen diesseits der Alpen herstellen. Denn sie wurden keineswegs nur in Rom und im Mutterland, sondern in bisher kaum vorstellbarer Vielzahl in den Provinzen, speziell den Limes entlang, vollzogen.

Allerdings haben sich die Kuratoren aus Bonn, Konstanz und Nijmegen - darunter Susanne Willer vom LVR-Landesmuseum - nicht versagt, auch einige der eher seltenen italischen Importe zu zeigen: beispielsweise vier Statuetten, die man als Appliken vom Streitwagen einer Quadriga aus Herculaneum erkannt hat, wie sie einst auf Triumphbögen prunkten. Aus Augsburg stammt dann schon der einer Quadriga zugeordnete großartige, vergoldete Pferdekopf wie auch die vergoldete Applik eines Genius, der hellenistisch geprägte Züge trägt.

Frank Willer, Restaurator am Landesmuseum, hat experimentell nachgewiesen und nun beispielhaft präsentiert, dass die Römer am Limes sehr spezielle Kenntnisse zu Bronzelegierung, -guss, -vergoldung und -reparatur entwickelt haben, die sowohl dem nordalpinen Klima wie auch den regionalen Ressourcen entsprachen - und dass sie wie überall im Reich Metalle wieder eingeschmolzen und "recycelt" haben. Zur Anschauung hat Willer den Kopf des jünglingshaften Kaisers Gordian III. aus Niederbieber nachgegossen.

Die Römer sind durchaus ökonomisch vorgegangen. Sie haben standardisierte Typen geschaffen: den Togatus für den würdigen Bürger, die Panzerstatue für den verdienten Feldherrn, das Reiterstandbild (oder die Panzerstatue) für den erhabenen Kaiser. Der eingesetzte, jedoch nach Bedarf austauschbare Kopf und eine Sockelinschrift verrieten das statuarisch geehrte Individuum. Dieses Verfahren der Wiederverwendung galt auch für die ebenfalls vielfach geehrten Kaiserinnen mit ihren modischen und in der Provinz nachgeahmten Frisuren.

Doch bevölkerten nicht nur profane Ehrenstatuen, sondern auch zahlreiche Götterbilder die städtischen Siedlungen und abgelegene Heiligtümer. In Mainz etwa krönte eine überlebensgroße Bronzestatue die neun Meter hohe Jupitersäule. Erhalten ist ein beschuhter Fuß und das Blitzbündel des höchsten römischen Staatsgottes Jupiter. Grundsätzlich können die Archäologen von überlieferten Statuetten auf das Erscheinungsbild von fragmentarisch erhaltenen Großbronzen schließen.

Überaus drastisch schilderte Plinius den Denkmalsturz des Kaisers Domitian im Jahre 96 n. Chr. und damit seine "damnatio memoriae". In der schönen Bronzeschau ist es Kaiser Alexander Severus, der 235 n. Chr. in Mainz dieser Verdammung jeglichen ehrenden Andenkens preisgegeben wurde. Sein Porträtkopf wurde mit der Spitzhacke geschunden und so für die Nachwelt entehrt.

LVR-Landesmuseum Bonn bis 20. Juli; Di bis Fr und So 11- 18, Sa 13 - 18 Uhr; Katalog 19,90 Euro

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort