Lässig-absichtsloses Gedankenjojo
Max Goldt stellt neue Texte im Bonner Pantheon vor
Bonn. Ach du liebe "Zeit"! Da hat sich die ehrwürdige Mutter aller Wochenzeitungen `mal so richtig gehen lassen - "Goldt ist Jazz", Tusch und völlig korrekt - nur um dann, erschrocken über den eigenen Enthusiasmus zu befinden: "Goldt ist Pflicht". Abwegigeres ist im Zusammenhang mit diesem überbordendste Leselust spendenden Autor wohl noch nie gedacht und hingeschrieben worden. Die Menschenmasse, die das Pantheon stürmt, weiß es natürlich besser: Goldt ist Kür! Goldt kommt von der Musik, "komponiert" aus dessen Geist.
Das zeigt auch sein neues Buch "Krapfen auf dem Sims", eine angenehm verwirrende Collage aus Betrachtungen, Essays und Notizen, heiter oszillierend zwischen Sinn und Un-Sinn. In seinen Texten verbindet sich bewusst Strenges mit einem Höchstmaß von - man kann es kaum anders nennen - "tonaler" Freiheit, dem schon erwähnten Jazz-mässigen. Goldt`s Trademark ist die Improvisation, die Abschweifung. Gedanken und Fügungen erscheinen befreit, sie büchsen aus, streunen, schnappen hier etwas auf oder dort und kehren zurück über die Wege, die eigentlich keine sind. Beispielhaft für sein lässig-absichtsloses Gedankenjojo ist "Waffen für El Salvador", ein Text, der eigentlich gar nicht existieren dürfte, hat Goldt doch - angeblich - sein Notizbuch im ICE liegen gelassen. Es ging dabei "grob erinnert darum", dass John Lennon kurz vor seinem Tod von einem japanischen Fernsehteam gefilmt wurde, wie er 15 Millionen Dollar von seinem Postsparbuch abhob: "Waffen kaufen für El Salvador, was 1980 durchaus Sitte war".
In einer Apotheose des Aberwitzes bündeln sich dann alle Unwahrscheinlichkeiten dieser Welt. Der Film reist zum japanischen Kaisersohn und über die "Weltkulturerbebewahrer" der UNESCO nach Berlin, Liverpool wieder nach New York, wo Yoko Ono ihn im gleichen Postamt abholt, in dem Lennon gefilmt wurde.
Max Goldt: "Der Krapfen auf dem Sims", Fest Verlag, 29,80 Mark
