"Gefährliches Pflaster" Landesmuseum Bonn dokumentiert Kriminalität in der Antike

BONN · In keinem Lateinbuch steht, was in dieser Ausstellung zu sehen ist. Die von Sandalenfilmen genährte Illusion kultivierter Römer mit ihrem ach-so-fortschrittlichem Rechtssystem bekommt Risse.

Der Schädel eines Delinquenten wurde aufgespießt und zur Schau gestellt.

Der Schädel eines Delinquenten wurde aufgespießt und zur Schau gestellt.

Foto: Horst Müller

Das Imperium Romanum war vielmehr ein "Gefährliches Pflaster", so der Titel einer Ausstellung, die das LVR-Landesmuseum in Bonn vom Römer-Museum in Xanten übernommen und um viele Stücke ergänzt hat.

Prozessakten auf Papyrus, eindringliche Inschriften, Grab- und Gedenksteine, Fundstücke aller Art zeichnen das Bild einer Gesellschaft, die um ihr Hab und Gut, sogar um das Leben fürchten musste. Überfälle zu Hause und auf Reisen, Einbrüche, Mord und Totschlag, Langfinger, Falschspieler und Fälscher versetzten den Menschen der Antike in Angst und Schrecken.

Eine Polizei, die die Bevölkerung geschützt und die Kriminellen dingfest gemacht hätte, gab es nicht. Gerichte und Soldaten halfen den Geschädigten mehr schlecht als recht, die Strafen waren drakonisch. Die Ausstellung startet mit dem Gang in die Villa eines Römers: Vergitterte Fenster, das Mosaik eines aggressiven Hundes und die Inschrift "Cave Canem" (Vorsicht vor dem Hund) dokumentieren das Sicherheitsbedürfnis der Römer.

Technisch versiert bauten sie Schlösser und ausgeklügelt gesicherte Truhen, züchteten zupackende Mastiffs und Molosserhunde, um ihr Eigentum zu schützen. Das Museum zeigt das Instrumentar, sogar Hundeschädel und Tatzenabdrücke, die in Bonn unter dem heutigen Haus der Geschichte gefunden wurden.

Freilich verließ man sich nicht allein auf Technik und Wachhund. Fabelwesen, Löwen und Medusenköpfe zierten Beschläge, Schlüssel und Türen. Hausgötter und -geister hielten in der römischen Villa Wache. Und wenn nichts half, baumelte ein Windspiel mit Glöckchen und einem großen geflügelten Phallus von der Decke. Das sei kein Hinweis auf ein Bordell, sondern diene der Abschreckung, versichert die Numismatikerin Claudia Klages, die die Ausstellung in Bonn spannend inszeniert hat. Wie effektiv dieser Schutz war, ist nicht überliefert.

Wie eine Detektivin hat Klages Spuren von antiken Einbrüchen gesichert, sie zeigt gezinkte Würfel, geplünderte Gräber, die eingeschlagenen Schädel zweier Erwachsener aus dem römischen Nida (heute Frankfurt) und gefälschte Münzen. Die Grabinschrift des Iucundus aus dem 1. Jahrhundert nach Christus berichtet: "Mein Sklave nahm mir das Leben, und er selbst stürzte sich kopfüber in den Fluss." Mord, Münzfälscherei, schwerer Diebstahl und die Vergewaltigung einer verheirateten Frau waren Kapitalverbrechen - war das Opfer eine Sklavin, handelte es sich um bloße "Sachbeschädigung".

Delinquenten kamen in Untersuchungshaft, dann vor Gericht. Die Strafen, ob Geldbuße, Verbannung oder Zwangsarbeit im Bergwerk waren drakonisch, bedeuteten den totalen sozialen Abstieg. Todeskandidaten wurden enthauptet, gekreuzigt oder von wilden Tieren im Amphitheater zerfleischt, wie eine Schale aus Bad Cannstatt aus dem 2. Jahrhundert nach Christus zeigt.

In der Wahl der Mittel, den echten oder vermeintlichen Übeltäter ums Leben zu bringen, war die römische Justiz erfindungsreich: Die Säckung, wobei der Täter mit Schlangen und weiterem Getier eingenäht wurde, und lebendiges Begraben, Erdrosseln und Verbrennen galten neben der klassischen Enthauptung und Kreuzigung als gängige Hinrichtungsarten. Mit dem Tod war das öffentliche Spektakel häufig nicht vorbei. In der Ausstellung ist ein Schädel zu sehen, der von einem Dorn durchbohrt und zur Schau gestellt worden war - wohl als Abschreckung.

Wer durch die Justiz nicht zu seinem Recht kam, versuchte es mit Verfluchung mittels beschriebenen Metallplättchen: Da wünscht der Verios, dem der Mantel geklaut wurde, dem Dieb allerlei Schlimmes, darunter Würmer und den Krebs an den Hals. Es gab natürlich in der Antike Menschen, die jenseits der Gerichtsbarkeit standen: Die mehrfache Mörderin Agrippina die Jüngere aus Köln war ebenso juristisch unantastbar wie die Imperatoren Roms. Cavaliere Berlusconi erscheint da wie ein Letzter dieser Zunft.

Rahmenprogramm: Von der Krimiwerkstatt bis zur Themenwoche

Mit einem breiten Rahmenprogramm begleitet das LVR-Landesmuseum die Ausstellung "Gefährliches Pflaster". Kinder können mit dem Aktionsheft "Vorsicht, Bösewicht!" auf die Suche gehen und dabei unter anderem die herrlichen Karikaturen des Reutlinger Zeichners Burkard Pfeifroth entdecken, die in der Ausstellung Szenen aus dem römischen Alltag illustrieren.

Der Autor und GA-Redakteur Wolfgang Kaes liest am 19. April aus seinem Buch "Das Gesetz der Gier" (19.30 Uhr). Es gibt eine Krimi-Schreibwerkstatt und Hitchcocks "39 Stufen" auf der Bühne. Die Bonner Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa und Museumschefin Gabriele Uelsberg diskutieren am 28. Juni, 19.30 Uhr.

Die Themenwoche vom 29. Juli bis 3. August beleuchtet aktuelle Justiz- und Polizeiarbeit. Zur Ausstellung ist ein exzellenter Katalog (Verlag Philipp von Zabern) erschienen, der das Thema Kriminalität in der Antike vorbildlich und ausführlich bearbeitet (19,90 Euro) .

Ausstellungsdaten: LVR-Landesmuseum Bonn, Colmantstraße 14-16, Di-Fr und So 11-18 Uhr, Sa 13-18 Uhr. Die Ausstellung läuft bis zum 18. August. Internet: www.landesmuseum-bonn.de

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