tanz-nrw Landesweites Festival mit einer Produktion von Cocoondance in Bonn eröffnet

"Bonn ist eine tanzbegeisterte Stadt" - mit diesem Ausspruch hat Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch in den Kammerspielen Bad Godesberg gerechtfertigt, dass das Festival für zeitgenössischen Tanz (tanz-nrw) am Samstag hier und nicht etwa in der Pina-Bausch-Stadt Wuppertal eröffnet worden ist.

 Komplexes Stück: Produktion von Cocoondance, "I've seen it all".

Komplexes Stück: Produktion von Cocoondance, "I've seen it all".

Foto: Festival

Der gut gefüllte Saal widersprach nicht, wartete vielmehr auf den offiziellen Auftakt. Elf Tage lang werden von nun an in acht nordrhein-westfälischen Zentren (Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln, Krefeld, Münster, Viersen, Wuppertal) 28 Produktionen in insgesamt 46 Aufführungen zu sehen sein: Moderne Choreographien, Installationen und Experimente, "riskante und spannende Projekte", wie NRW-Kulturministerin Ute Schäfer sagte. Drei Veranstaltungen haben dies am Eröffnungsabend bereits belegt.

Schon vor der Veranstaltung in den Kammerspielen hatte das Bonner Tanzensemble Cocoondance im Theater im Ballsaal ihr abstraktes, komplexes Stück "I've seen it all" aufgeführt. Basierend auf David Lynchs Kultfilm "Era-serhead", ohne den die Performance nur schwer verständlich scheint, arbeiten sich die Tänzer immer wieder an denselben Tonpassagen ab, die Jörg Ritzenhoff, in einem fahrbaren Käfig sitzend, vorgibt: Filmzitate, Rauscheffekte, Industrieklänge, die sich nach und nach in Details ändern und die anderen Akteure zu neuen Bewegungen animieren.

Und zum Ausbruch: Denn während zunächst Ritzenhoff die Kontrolle zu haben scheint, wird er irgendwann zum Opfer, zum Spielball der sechs Darsteller, die, einander spiegelnd und sich doch irgendwann in zwei Realitäten auflösend, eine Dreiecks-Inszest-Beziehung führen. Oder so etwas Ähnliches. Denn eine klassische Erzählstruktur liegt nicht vor, ist aufgelöst und ersetzt durch ein Fragmentarium, das sich nur mit Mühe erfassen lässt und den Betrachter fordert. Das Kryptische als Kunstform also.

Eine etwas leichtere Kost war da "Three Levels" der Tchekpo Dance Company aus Bielefeld, das bei der Eröffnung in den Kammerspielen zur Aufführung kam. Mit fünf afri-kanischen Tänzern beschreibt er einen Lebensbogen von der Geburt bis zum Tod, stellt dabei die Frage nach dem Körper als Spiegel, Instrument oder Gefängnis der Seele - und stellt zugleich die Frage nach der Dominanz, dem darwinistischen "survival of the fittest", wenn sich die fast nackten Akteure etwa um den Platz auf einem Tisch streiten, einer dominanten Position, die keiner dem anderen gönnt. Dabei wäre das nicht nötig: In einer Art durch Musik initiierter Verbrüderung tanzen schließlich alle auf dem Möbelstück, nur um dann doch wieder Opfer ihrer solitären Raubtier-Haltung zu werden.

In der Blauen Grotte der Universität Bonn hat derweil Yoshie Shibahara ihre Installation "Exuviae" errichtet: Leicht knittrige, abgelegte Aluminium-Häute in Menschengestalt hängen in Reih und Glied von der Decke, manche leicht angestrahlt, andere im Dunkeln. Aus Lautsprechern blecherne Sphärenmusik, die die Glaskästen im Raum in Schwingungen versetzt.

Dazwischen der völlig in Schwarz gekleidete Butohtänzer Yoshihiro Shimomura, der inmitten dieser Versammlung der Toten als Schatten des Lebens umherschwirrt, während Shibahara diese poetische Idee sofort entzaubert, Alltagstätigkeiten ausführt, Tee trinkt, ihr Handy checkt, liest und nur hin und wieder durch die Reihen geht, um ihre Exponate zu überprüfen. Ein gelangweiltes, innerlich totes Gehabe, dabei eben jenen ignorierend, der in dieser metallenen Gruft als einziger für Bewegung sorgt.

Weitere Termine in Bonn: Mo, 29.4., 15 Uhr, Münsterplatz: Bonns Fünfte Bewegt; 20 Uhr, Theater im Ballsaal: Bonn Spezial; Sa und So, 4. und 5.5., 20 Uhr, Theater im Ballsaal: Valenti Rocamora I Tora, "Meine Stille". Weitere Infos unter www.tanz-nrw-13.de

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