Euro Theater Central Bonn Leben unter dem Damoklesschwert

Bonn · Erwartungen, Experimente, Herzensangelegenheiten und ein schmerzvolles Ende: In seiner 46. Spielzeit geht das Euro Theater Central mitunter neue Wege, ohne sich dabei jedoch untreu zu werden oder sich zu verbiegen.

 Beklemmend: Sarah Kanes Stück "Gier" (Probenfoto) hat am 17. September Premiere

Beklemmend: Sarah Kanes Stück "Gier" (Probenfoto) hat am 17. September Premiere

Foto: Kölsch

Getreu dem Motto "Totgesagte leben besser" will das Haus am Mauspfad bis 2019, wenn die finanzielle Unterstützung der Stadt nach derzeitigem Stand auszulaufen droht, mit mutigen Inszenierungen und klarer Formensprache ein Zeichen setzen und "unbeirrt unter dem Damoklesschwert" weitermachen.

Das Programm für die kommenden Monate spricht dabei eine eindeutige Sprache. Denn während auf der einen Seite ein essenzieller Bestandteil des Euro Theaters ad acta gelegt wird, zeugen vier neue Eigenproduktionen und ebenso viele aufregende Gastspiele davon, dass die Grenzen der Zimmerbühne noch lange nicht erreicht sind.

Die traurige Botschaft zuerst: Der "Kontrabass" wird nicht länger gezupft. "Wir haben ja immer scherzhaft gesagt, dass wir dieses Stück spielen, bis es jeder Bonner Bürger einmal gesehen hat", sagt Pressesprecherin Ulrike Fischer. Das scheint nun der Fall zu sein. Nach 28 Jahren und 780 Vorstellungen haben die Theaterleitung und Darsteller Viktor Weiss einvernehmlich beschlossen, den Einakter von Patrick Süskind aus dem Repertoire zu entfernen.

"Natürlich ist das ein Abschied, der für uns schmerzvoll ist, da der ,Kontrabass' immer zum Euro Theater gehört hat", sagt Fischer. "Aber es ist einfach an der Zeit. Viktor Weiss wird uns immerhin erhalten bleiben und ab November einen Erich-Kästner-Abend gestalten." Die vier Stücke, die zudem neu ins Repertoire aufgenommen werden und die sich alle unter dem Thema "Erwartungen und Sehnsüchte" subsumieren lassen, könnten unterschiedlicher kaum sein.

Den Auftakt macht Sarah Kanes fragmentarisches Stück "Gier" (ab 17.9.): Vier Stimmen, voneinander getrennt und doch miteinander verwoben durch die Suche nach etwas, das die Leere in ihnen zu füllen vermag. "Das Gefühl der Beklemmung, das hier erzeugt werden soll, passt perfekt zu unserer Bühne", ist Fischer überzeugt.

Dem gegenüber steht die von Nikolaus Büchel inszenierte Mysterienspiel-Satire "Krach im Hause Gott" von Felix Mitterer (ab 7. 1. 2016), bei der das Jüngste Gericht ein wenig aus dem Ruder läuft. Völlig offen ist noch, wie sich ein angeblich besinnliches Werk des Duos Philip Roscher (Videodesign) und Silinee Damsa-Aard (Regie) entwickelt, die beide ihre Theaterkarriere in Bonn begannen.

"Damit leisten wir uns tatsächlich eine Auftragsarbeit, die am 6. Dezember Premiere feiern soll", freut sich Fischer. Zu guter Letzt steht mit Bertolt Brechts "Flüchtlingsgesprächen" unter der Regie von Gabriele Gysi ein Text auf dem Programm, der derzeit aktueller kaum sein könnte (ab 10. 3. 2016).

Bleiben noch die Gastspiel-Premieren. Eine Herzensangelegenheit hat sich der Schauspieler Rudolf Kowalski erfüllt, der in einer Art Collage ein Porträt des walisischen Dichters Dylan Thomas zeichnen möchte und dafür zusammen mit seiner Frau Eva Scheuer sowie der Schauspielerin und Bandoneonista Helena Rüegg ins Euro Theater kommt (30. 10. bis 3. 11.).

Laura Tetzlaff setzt derweil Birgit Vanderbekes "Gut genug" über ein Elternpaar am Rande des Nervenzusammenbruchs um (ab 13. 11.). Und das deutsch-italienisch-französische Theaterprojekt "Xeno Overro l'Antagonista", das mit seiner Fremdenfeindlichkeit thematisierenden vielschichtigen Handlung bereits bei der Theaternacht für Aufmerksamkeit sorgte, wird vom 23. bis 25. November in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln zu sehen sein.

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