Leise Töne im Geschützdonner

Walter Ullrichs bringt "Die Brücke" in Rheinbach auf die Bühne - Die Inszenierung schildert die Ereignisse zum Kriegsende in Remagen aus deutscher und aus amerikanischer Sicht

Rheinbach. 7. März 1945: Leutnant Timmermann (René Oltmanns) hat einen gewagten Plan. Gelingt es den Amerikanern, die Ludendorff-Brücke bei Remagen zu überqueren und auf die rechte Rheinseite zu gelangen, so wäre das ein gewaltiger Schritt nach vorn.

Doch da ist noch mehr als bloße Strategie, was ihm durch den Kopf geht, als er hinunter ins Rheintal blickt. Hier hat er als Junge stolz auf den Schultern seines Vaters gesessen: damals als Karl Heinz Zimmermann, geboren in Frankfurt am Main.

Jetzt ist er zurück und am Morgen zusammen mit der 9. US-Panzerdivison von Meckenheim aus in Richtung Rhein aufgebrochen. Nicht weit davon entfernt - im Rheinbacher Stadttheater - war am Sonntag ein Stück Geschichte aus den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs zu sehen.

So hat Walter Ullrich, Leiter des Kleinen Theaters Bad Godesberg und Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz, den Roman "Die Brücke von Remagen" von Rolf Palm unter dem Titel "Die Brücke" als Bühnenstück inszeniert. Derselbe Tag, auf deutscher Seite: Es herrscht das Chaos, die Verwaltung des Mangels.

Vor allem an Munition und Sprengstoff, um die Brücke wie geplant zerstören zu können, bevor der Feind sie erreicht. Sie geben sich ja alle Mühe - Hauptmann Wilhelm Bratge (Heike Haynert), Brückenkommandant Karl Friesenhahn (Karl-Heinz Dickmann) und Feldwebel Jakob Kleebach, der Brückenmeister (Andre Wittlich) - doch sie alle wissen längst, was offenbar noch immer nicht laut ausgesprochen werden darf.

Die Lage ist aussichtslos und der "Endsieg" eine zynische und menschenverachtende Durchhalteparole. An die allenfalls noch Major Scheller (Matthias Kiel) glaubt. Der allerdings ergreift nach missglückter Sprengung lieber mit dem Fahrrad die Flucht. So zeigt Ullrichs Inszenierung die Ereignisse aus beiden Perspektiven.

Und mit viel Fingerspitzengefühl. Heute sind sich die Historiker einig, dass die Eroberung und Überquerung der Brücke durch die Amerikaner den Krieg um Monate verkürzt und den deutschen Städten am rechten Reinufer das bittere Schicksal erspart hat, im Bombenhagel unterzugehen.

Timmermann sollte Recht behalten und General Eisenhower war überzeugt: "Die Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert". Dass sie zehn Tage später, am 17. März 1945, zusammenbrach und 28 amerikanische Soldaten in den Tod riss, erscheint angesichts dessen schon fast wie eine Ironie des Schicksals.

Es sind gerade die leisen Töne, die sich in den Geschützdonner und die blecherne Marschmusik aus dem Radio mischen und durch die das in Zusammenarbeit mit Zeitzeugen und dem Romantautor entstandene Stück zu fesseln und überzeugen versteht.

Vom 3. bis 8. Oktober soll es sogar an einem Originalschauplatz - dem Erpeler Eisenbahn-Tunnel - zu sehen sein. Dort, wo auch die letzte Szene spielt. Es ist ein junger Deutscher, der sich bei der Kapitulation als kluger Dolmetscher erweist und Timmermann einen Funken Hoffnung gibt.

Hoffnung, dass doch noch etwas geblieben sein mag von der Heimat seiner Kindheit. Etwas Schützenwertes, das trotz allem überlebt hat. Er sagt: "Zwei Mal ist in den vergangenen hundert Jahren Krieg von deutschem Boden ausgegangen. Ein drittes Mal darf es niemals geben." Auch dafür steht die Brücke von Remagen. Wenn auch nur noch in der Erinnerung.

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