Bernie Krause im Museum Koenig "Lernen Sie, auf Ihr Gehör zu achten!"

Der amerikanische Musiker Bernie Krause stellt Mittwochabend, 19 Uhr, im Museum Koenig in einem englischsprachigen Vortrag sein Buch "Das große Orchester der Tiere" (Verlag Antje Kunstmann, 272 S., 2295 Euro) vor. Im GA-Interview spricht er über seine Leidenschaft, den Klängen der Natur zu lauschen. Die Fragen stellte Bernhard Hartmann.

 Bernie Krause, lauschend.

Bernie Krause, lauschend.

Foto: Kunstmann

Ihr Buch heißt "Das große Orchester der Tiere". Das klingt nach planvollem Zusammenspiel in der Natur. Ist es wirklich so?
Bernie Krause: Ich verwende den Begriff "Natur" in meinem Werk nicht - außer vielleicht, um auf die Zerrissenheit zwischen Menschen und der natürlichen Umwelt zu verweisen. "Das große Orchester der Tiere" legt dar, wie die Stimmen der nichtmenschlichen Welt - die ich als "Biophonie" zusammenfasse - uns auf vielfältige Weise dazu anregten, zu tanzen und zu singen.

Gab es so etwas wie eine Initialzündung für Sie, die Sie bewog, der Natur systematisch zu lauschen?
Krause: Ja. Wie ich im Buch näher erläutere, setzte ich mich erstmals mit der Idee auseinander, natürliche Geräuschkulissen aufzunehmen, um diese für ein Synthesizer-Album zu verwenden, an dem ich mit meinem verstorbenen musikalischen Partner Paul Beaver in den späten 60er Jahren für Warner Brothers arbeitete. Die Klänge, die aus meinen Kopfhörern ertönten, waren so fesselnd, dass ich an Ort und Stelle beschloss, dies für den Rest meines Lebens tun zu wollen: in der Natur zu sein und Tonaufnahmen zu machen. Ich musste nur einen Weg finden, damit meinen Unterhalt zu verdienen.

Können Sie das Gefühl beschreiben, wie es ist, den kleinsten Lebewesen wie Ameisen oder Pistolenkrebsen mit dem Mikro zuzuhören?Krause: Den winzigsten Organismen zuzuhören, mikroskopisch kleinen oder solchen, die es nahezu sind, ruft in mir ein außergewöhnliches Gefühl der Verwunderung und des Erstaunens hervor. Ein Kollege in Cambridge hat vor etwa 15 Jahren tatsächlich die Geräusche eines Virus aufgenommen. Stellen Sie sich das einmal vor!

Menschen verursachen Lärm, Flugzeuge, Autos, Baumaschinen, Schiffe. Was macht das mit den Tieren?
Krause: Ich habe keine Ahnung, sie haben es mir nie erzählt. Wir können allerdings folgern, dass ihr stimmliches Verhalten und damit ihre Lebensqualität in Mitleidenschaft gezogen werden. Das liegt daran, dass ein nichtmenschliches Tier zumeist ein akustisches Signal erzeugt, weil sein Überleben in irgendeiner Weise davon abhängt. Wenn menschlich erzeugte Geräusche die Übertragung oder Aufnahme tierischer Stimmen blockieren, können diese also durchaus davon beeinträchtigt werden.

Wie können wir lernen, mehr der Musik der Natur zuzuhören?
Krause: Lernen Sie einfach, auf Ihr Gehör zu achten. Wir sind alle mit dieser Fähigkeit ausgestattet, aber nicht viele von uns haben das Vermögen ausgebildet, prüfend zuzuhören.

Sie haben selbst unter anderem Violine studiert, aber auch als Soundtüftler für Rockbands wie The Doors und The Byrds oder Popgrößen wie Stevie Wonder und George Harrison gearbeitet. Wo liegen Ihre musikalischen Vorlieben heute?
Krause: R. Murray Schafer, David Monacchi, John Luther Adams, David Byrne & St. Vincent und the Austin Lounge Lizards.

Was halten Sie von Olivier Messiaen, dem größten Ornithologen der Musikgeschichte, der unzähligen Vögeln eine instrumentale Stimme gegeben hat?
Krause: Ich liebe Messiaens Musik, allerdings weniger für die Vogelstimmen, die er stark verändert und den Modellen der französischen Musikwissenschaft in der Mitte des 20. Jahrhunderts angepasst hat, sondern vielmehr, weil er ein sehr talentierter Komponist war und seine Stücke auf faszinierende Weise orchestrierte. Ich interessierte mich stets eher für die Vogelgesänge, die er ausgelassen hat, weil sie zufällig nicht in die damaligen musikalischen Paradigmen passten, als für diejenigen, die er benutzt hat. Nichtsdestotrotz sind gerade einmal um die 100 der zirka 10 000 bekannten Vogelarten und ihrer Stimmen in die westliche Musikliteratur aufgenommen worden - und die meisten von ihnen wohl wegen Messiaens Musik.

Ist Beethovens sechste Sinfonie eine gute Imitation der Natur?
Krause: Nein. Sie ist nur ein persönlicher Eindruck des Komponisten. Beethoven und allzu viele andere westliche Komponisten waren oftmals zu sehr an ihre Werkstätte gebunden, um tatsächlich die Komplexität und die vielen Verästelungen der Außenwelt verstehen zu können.

Worauf darf das Publikum sich bei Ihrem Vortrag besonders freuen?
Krause: Das erste vollständige symphonische Stück zu hören, das natürliche Klangkulissen (insbesondere Biophonien) als funktionelle Bausteine der Orchestrierung einschließt.

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