Beethovenfest in Bonn Luftige Melancholie

Bonn · Der Zahl neun begegnen Komponisten mit einem Anflug von Aberglauben, nachdem Beethoven, Dvorák und Bruckner starben, als ihr sinfonisches Oeuvre diese Ziffer erreicht hatte.

 Eine andere Neunte: Zubin Mehta und das Israel Philharmonic Orchestra in der Beethovenhalle.

Eine andere Neunte: Zubin Mehta und das Israel Philharmonic Orchestra in der Beethovenhalle.

Foto: Barbara Frommann

Selbst der weit ins aufgeklärte zwanzigste Jahrhundert hineinragende Arnold Schönberg hat sich da seine Gedanken gemacht: "Es scheint, die Neunte ist eine Grenze. Wer darüber hinaus will, muss fort", hielt er nach Gustav Mahlers Tod bitter fest, dessen zehnte Sinfonie Fragment geblieben war.

"Die andere Neunte" hatte das Beethovenfest den Auftritt des Israel Philharmonic Orchestra überschrieben, das am Samstagabend unter der Leitung seines langjährigen Chefdirigenten Zubin Mehta mit der letzten vollendeten Sinfonie Gustav Mahlers zum Beethovenfest gekommen war. Bei ihnen ist die Musik des Komponisten, wie die Aufführung in der ausverkauften Beethovenhalle eindrucksvoll belegte, in den allerbesten Händen.

Mehta, der wegen einer drei Wochen zurückliegenden Knieoperation im Sitzen dirigieren musste, ist ein großartiger Klangregisseur. Das Orchester spielte in deutscher Aufstellung, in der die ersten und zweiten Geigen außen sitzen und die Kontrabässe auf der linken Seite.

Gerade auch in der im Werk hervorgehobenen Behandlung der zweiten Geigen klingt die Sinfonie so, als habe der auf Raumwirkung sehr bedachte Komponist in dem Schaffensrausch, in dem er diese Musik eilig niederschrieb, immer diese Aufstellung vor Ohren gehabt.

Das Andante comodo des ersten Satzes begann unter Mehtas Dirigat ruhig zu fließen hin zum ersten expressiven Fortissimo-Höhepunkt, der die wohlig warme Klangidylle gleich Lügen straft. Die Musiker legten bei allem ein wunderbar transparentes Klangbild an den Tag, das sich auch im weiteren Verlauf der Sinfonie nie im Klangdickicht verunklarte. Der wunderbar luftigen Holzbläser, die den tänzerischen zweiten Satz beendeten, schienen hier ebenso beispielhaft wie die präzise ausgeführten kontrapunktischen Exzesse, denen sich Mahler in der Rondo-Burleske hingab.

Das war allerfeinste orchestrale Klangkultur. Die so erzeugte Atmosphäre ließ den Dirigenten - zumindest in der Wahrnehmung - als Koordinator der Stimmen, als technische Instanz hinter der Musik verschwinden. So entfaltete auch der zeitvergessen lange Schlusssatz seine ergreifende Wirkung über das von den Streichern ersterbend leise artikulierte Ende der Sinfonie hinaus. Nach einem Augenblick der Stille im Saal brach sich der Jubel für diese grandiose Interpretation Bahn. Man applaudierte lange und im Stehen.

Der Applaus galt freilich auch einem Orchester und einem Dirigenten, die eine besondere Beziehung zu Bonn haben. Dass ihr erster gemeinsamer Auftritt in der Beethovenhalle vor 44 Jahren in engem Zusammenhang mit der Aufnahme der deutsch-israelischen Beziehungen steht, daran erinnerte in ihrer Begrüßungsrede die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Maria Böhmer.

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