"Höchste Zeit!" feiert Premiere im Contra Kreis Märchen gibt es immer wieder

VON E · Der Abschied vom Single-Dasein war sichtlich anstrengend und endete nach dem Absacker in der Hotelbar mit einem Filmriss. Es war jedenfalls der beste Sex ihres an Erfahrungen nicht gerade armen Lebens - nur mit wem? Die Dame im schwarzen Negligé hat sich offenbar recht gründlich präpariert für die bevorstehende Trauung. Die Schneewittchenfrage, wer die Schönste im ganzen Land sei, beantwortet der Spiegel diplomatisch: "Die Hochzeitssuite ist der einzige Ort, wo man noch an Märchen glaubt." Es wird also höchste Zeit, dass die Brautjungfern für Ernüchterung sorgen.

 Zweieinhalb Stunden Theaterspaß: Szene aus "Höchste Zeit!".

Zweieinhalb Stunden Theaterspaß: Szene aus "Höchste Zeit!".

Foto: Theater

Es sind die Flughafen-Bekanntschaften aus "Heiße Zeiten", die sie zum schönsten Tag ihres Lebens eingeladen hat. Das köstliche "Hormonical" von Tilmann von Blomberg, das in der Saison 2013/14 die Zuschauer im Contra-Kreis begeisterte, findet nun seine spritzige Musical-Fortsetzung mit "Höchste Zeit!". Wobei der Superlativ von Hochzeit fest im vollen Terminkalender der Karrierefrau notiert war. Bei Bräutigam Dietrich (vermutlich Facharzt für Anästhesie) ist das nicht ganz so sicher.

Der redende Spiegel mit der sonoren Stimme des bekannten TV- und Radiosprechers Ralf Berg ersetzt nun glänzend die Airport-Ansagen und gehört zu den höchst amüsanten Erfindungen des Hindernislaufs zum Ehehafen. Der Regisseur und musikalische Leiter Stephan Ohm hat den neuen "Ladykracher" (Songtexte / Arrangements: Carsten Gerlitz) und das fabelhaft singende und tanzende Weiberquartett wieder perfekt im Griff.

Feiern, bis der Arzt kommt, hat sich die ehemalige Klassenkameradin und brave Hausfrau vorgenommen. Tanja Bahmani spielt die stämmige rheinische Frohnatur, die immer zwei Diäten braucht, weil sie von einer nicht satt wird. Dass sie im pinkrosa Jungfernkleid (tolle Kostüme: Anja Saafan) aussieht wie "Cinderella auf Crack", ist ebenso unbestreitbar wie der unverschämte Wortwitz der gesamten Inszenierung. Statt Schlüpfrigkeiten bevorzugt die Vornehme, elegant verkörpert von Barbara Köhler mit blondem Kurzhaar und coolen Sprüchen ("Gegen die Ehe ist der Mount Everest ein Maulwurfshügel"), teuren Champagner zum Frühstück.

Entzückend gibt Anna Preckeler die Junge, die endlich Mutter geworden ist, den Erzeuger mit Bio-Babybrei-Vorgaben nervt und von einer Heirat mit Häuschen im Grünen, 3D-Fernseher und Fahrrad-Urlaub in der holsteinischen Schweiz träumt. Emanzipation war gestern, Bionade-Biedermeier-Familienglück ist eine Zukunftsoption der Generation U30. Die Karrierefrau Ü30 (mit Steigerungspotenzial nach oben und bewegter Vergangenheit) ist bei dem Energiebündel Iris Markis bestens aufgehoben.

Vom pränuptialen Verkehr im teuren Promi-Luxushotel (Bühne: Hartwig Badenheuer) zeugt das Lied "Tür an Tür mit Howy". Howard Carpendale (Jahrgang 1946) würde Alice wahrscheinlich vergessen angesichts der peppigen Profi-Girl-Crew im schräg ironisierten Pop-Hit-Universum. Im siebten Himmel schwebte bei der Premiere sogar das schwache männliche Geschlecht trotz 100 Prozent Frauenquote auf der Bühne. Als versöhnliche Zugabe gibt's "Du gehörst zu mir" mit Klatschmarsch zum Mitsingen. Ein mit Ovationen belohnter Theaterspaß.

0 Vorstellungen bis zum 8. November fast täglich. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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