Gürzenich-Orchester Mahler-Zyklus mit großartigen Aufführung der Neunten fortgesetzt

Köln · In der Kölner Philharmonie, wo Markus Stenz und das Gürzenich-Orchester am Sonntag ihren Mahler-Zyklus mit der letzten vollendeten Sinfonie Mahlers fortsetzten, konnte man die Sphären des Diesseits und des Jenseits, die in diesem Werk aus der Musik entstehen, in bemerkenswerter Eindringlichkeit vernehmen.

 Markus Stenz, aufgenommen bei einer Probe mit dem Gürzenich Orchester in Köln 2012.

Markus Stenz, aufgenommen bei einer Probe mit dem Gürzenich Orchester in Köln 2012.

Foto: Thomas Brill

Von der neunten Sinfonie Gustav Mahlers, die erst nach dem Tode des Komponisten 1912 uraufgeführt wurde, war dessen jüngerer Kollege Alban Berg zutiefst beeindruckt. "Der erste Satz ist das Allerherrlichste, was Mahler geschrieben hat", heißt es in einem Brief an seine Frau. "Es ist der Ausdruck einer unerhörten Liebe zu dieser Erde." Zugleich hat er aus den Noten auch herausgehört, dass dieser ganze Satz "auf die Todesahnung gestellt" sei.

In der Kölner Philharmonie, wo Markus Stenz und das Gürzenich-Orchester gestern ihren Mahler-Zyklus mit dieser letzten vollendeten Sinfonie des Komponisten fortsetzten, konnte man die Sphären des Diesseits und des Jenseits, die in diesem Werk aus der Musik entstehen, in bemerkenswerter Eindringlichkeit vernehmen.

Mahler beginnt die Sinfonie beinahe unmerklich, zart, verhaucht, mit einem leisen Celloton, der vom Horn und von der Harfe erwidert wird. Aus dieser Keimzelle entwickelt er einen fast halbstündigen Satz, dessen emotionaler Dichte Stenz bis in die feinsten Verästelungen nachspürte.

Er führte das hellwach agierende Orchester durch die mit allen Formkonventionen brechende Entwicklung des Satzes, gestaltete expressive Aufwallungen, deren Höhepunkt ein erschütternder Trauermarsch ist, und schließlich zurück in ganz leise, überirdisch scheinende Regionen: Der von der Harfe übernommene Flageolett-Klang der Streicher schien körperlos und rein im Raum zu schweben.

Den Kontrast, den die beiden Mittelsätze dazu bilden, modellierte Stenz mit scharfen Konturen; die ein wenig derbe Volkstümlichkeit des zweiten ebenso wie die von virtuoser Kontrapunktik getragene musikalische Welt der Burleske, wie Mahler den dritten Satz überschrieb. Das Orchester eilte mit größter Präzision durch diesen Satz, bevor mit dem Finale wieder Jenseitiges musikalisch zur Sprache kam.

Das Adagio ist Musik des Abschieds. Es ist ein Abschied ohne Verzweiflung. Unendlich melancholisch, unendlich schön. Die Streicher des Gürzenich-Orchesters fanden für diese Stimmung einen warmen und seelenvollen Klang. Nach den gut 25 Minuten, die der Satz gefangen nimmt, herrschte lange spannungsvolle Stille im Publikum, bevor die Ovationen sich in der nahezu ausverkauften Philharmonie Bahn brachen.

Mit dem Adagio werden sich Stenz und sein Orchester am Mittwoch noch einmal um 20 Uhr in der Philharmonie ausführlich auseinandersetzen, und zwar im Rahmen der Reihe "Experiment Klassik", die Stenz gemeinsam mit Ranga Yogeshwar moderiert.

Weitere Aufführungen der Sinfonie Nr. 9 von Gustav Mahler mit dem Gürzenich-Orchester unter Leitung von Markus Stenz in der Kölner Philharmonie heute und morgen, jeweils 20 Uhr. Karten in den Zweigstellen des General-Anzeigers und bei bonnticket.de

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