In der Pathologie Maren Pfeiffer inszeniert "Nicht nur zur Weihnachtszeit" von Böll

BONN · Es geschah um Mariä Lichtmess herum, zu einer Zeit also, in der man hierzulande die Christbäume plündert. Doch Tante Milla widerstand tapfer allen Vernichtungsaktionen und feierte trotz aller ärztlichen Bemühungen unermüdlich weiter, bis nur noch eine Tannenbaum-Therapie unter Assistenz katholischer Seelenhirten half.

"Tante Milla war in der ganzen Familie von jeher für ihre Vorliebe für die Ausschmückung des Weihnachtsbaumes bekannt, eine harmlose, wenn auch spezielle Schwäche, die in unserem Vaterland ziemlich verbreitet ist." Mit köstlicher Bosheit beschreibt Heinrich Böll in seiner 1951 erstmals veröffentlichten Erzählung "Nicht nur zur Weihnachtszeit" den Verfall einer ganzen Familie angesichts von allabendlichem Lichterglanz, Spekulatius-Trauma und "Stille Nacht" selbst im Hochsommer.

Rechtzeitig zum Advent hat Regisseurin Maren Pfeiffer Bölls Nachkriegssatire im Theater die Pathologie auf die Bühne gebracht. EnnE Schütz spielt im 50er-Jahre-Pullunder den anonymen Ich-Erzähler. Perfekt beherrscht er den hinterlistigen Böll-Ton, lässt die merkwürdigen Ereignisse allein durch die Sprache lebendig werden und wechselt heiter vom nüchternen Bericht zu leiser Rührung.

Wenig zu sagen hat Karin Krömer auf der mit künstlichen Tannenbäumen ausgestatteten Bühne. Im schwarzen, mit Glitzersteinchen verzierten Kostüm verkörpert sie schlicht die schrullige alte Dame mit ihrem unheilbaren Weihnachtsbaum-Komplex. Jede Erwähnung von Onkel Franz entlockt ihr ein "dieser herzensgute Mensch", und selig säuselt sie den "Frieden" des Engels herbei.

Völlig unbeschadet überstand die Familie einst in ihrem Bunker den Zweiten Weltkrieg. Nur bei Tante Milla machten sich erste Anzeichen von Weihnachtsbaum-Entzug bemerkbar - mit bedenklichen Spätfolgen. Mit der Zeit mussten arbeitslose Schauspieler die Rollen der Weihnachts-Gäste übernehmen, was der täglichen Freude keinen Abbruch tat. Aber angesichts einiger durstiger Ensemblemitglieder den Haushalt arg strapazierte.

Leise rieselt der Schnee, während es für Tante Milla immer Weihnachten bleibt, falls sie nicht irgendwann gestorben ist. Die 60minütige Inszenierung ist ein herrlich groteskes Weihnachtsmärchen für Erwachsene. Der herzliche Beifall in der zweiten, komplett ausverkauften Aufführung währte lang.

Nächste Vorstellungen: 13./14. und 31. Dezember. Karten unter der Rufnummer 0228/222358.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Daniel Johannes Mayr dirigiert das Beethoven
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCampNeue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Aus dem Ressort