Konzert im Kölner E-Werk Marius Müller-Westernhagen gibt Vorgeschmack auf neues Album

Köln · Gold findet man bekanntlich im Dreck. Und manchmal auf einer Scheibe, die noch gar nicht raus ist. Oder bei einem, von dem man glaubte, es gebe ihn nicht mehr.

 Mit schneller Rockmusik und ein paar schönen Balladen: Marius Müller Westernhagen.

Mit schneller Rockmusik und ein paar schönen Balladen: Marius Müller Westernhagen.

Foto: Thomas Brill

Im Fall von Marius Müller Westernhagen trifft beides zusammen. Eine echte Sternstunde. Obwohl es eigentlich 100 Minuten waren. Die all diejenigen erleben durften, die das Glück hatten, Sonntagabend eines der heiß begehrten Tickets für das einzige "Pre-Listening-Concert" in NRW im E-Werk zu ergattern. Zur Erläuterung: Pre-Listening bedeutet, dass ein Album vor seiner Veröffentlichung komplett vorgestellt wird.

Man darf also, akustisch, Mäuschen spielen und hat damit anderen Fans etwas voraus. Das ist so eine Art "Mayflower"-Effekt, man gehört zu den ersten, die unbekanntes Land erobern, und das in dem Wissen, dass man zu den Ersten gehört. In diesem Fall gipfelt das in einer Wiederauferstehung. Solche Schlachtgesänge hört man sonst nur in den Stadien. "Oh, was ist das schön, oh, was ist das schön", hymnisieren die Fans im E-Werk. Wieder und immer wieder. Da steht dieser schlaksige Typ von 65 Jahren auf der Bühne - und ist besser denn je. Oder ganz so wie früher.

Endlich singt Westernhagen wieder geil und laut, serviert dreckige, erdige, rotzige, schnelle Rockmusik. Und ein paar schöne Balladen sind auch noch dabei. Wenn dieses Album bei Veröffentlichung am 25. April nicht auf Platz 1 der Charts einsteigt, dann ist die Erde doch eine Scheibe. Vom feinen Zwirn, vom dandyhaften Halstüchlein und vom steifen Herumstaksen hat sich der gebürtige Düsseldorfer endgültig verabschiedet. Stattdessen erscheint er, ganz zivil, im leichten Rock'n'Roll-Outfit, mit Hemd, Nietengürtel und Jeans.

Auch auf Westernhagens "Neue", Lindiwe Suttler (37), darf man an diesem Abend einen Blick werfen. Um festzustellen, dass die Grazile nicht nur schön aussieht, sondern auch schön singt. 100 Minuten dauert die Seligkeit, etwas wiedergefunden zu haben, was man längst verloren glaubte. Die Band lässt es sichtig krachen, Westernhagen singt vom "Clown" und vom "Engel" und sagt solche Sätze wie: "Geld, Gier, Erfolg? Was wirklich wichtig ist, ist die Musik heute Abend." Und die schmeckt nicht nach Schampus und Schöngeisterei, sondern nach Bier und Schweiß. Nach Clapton, nach Stones, nach Druck und viel Feuer.

Das Intro "Hereinspaziert" und "Alphatier" gehen ab wie die Luzie, das programmatische. "Liebe (um der Freiheit willen)" ist ein mächtiges Plädoyer für Toleranz: "Brüder, Schwestern, verbrennt das ewige Gestern, Freiheit für alle Rassen, für alle Kulturen, für die Medien, für die Kunst, für die Junkies, für die Huren, für die Lesben, für die Schwulen, für die Frauen, für unsere Kinder." Und nach dem wunderbar eingängigen "Halt mich noch einmal" geht's schon wieder los mit den Gesängen im Saal, die kein Ende nehmen wollen. Fünf Zugaben - "Willenlos", "Taximann", "Sexy", "Mit 18" und "Johnny W" - sind eine fette Extradröhnung. Der Mann ist zurück auf der Straße. Wurde auch Zeit.

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