Interview Martin Grubinger über die Kunst des Schlagzeugspiels

Bonn · Vor seinen Bonner Auftritten sprach Martin Grubinger über seine Klangmission sprach. Der Multiperkussionist will Grenzen überschreiten und findet klare Worte und Kritik über sich selbst.

Martin Grubinger ist ein Mann der klaren Worte. Aus seiner Überzeugung für die sozialdemokratische Idee macht der Österreicher ebenso wenig einen Hehl wie aus seiner Haltung gegenüber Machthabern: „Man kann nicht Schostakowitsch und Strawinsky spielen und gleichzeitig ein enger Freund von Putin sein.“ Und Fremdes hat der Multiperkussionist schon seit jeher als Bereicherung empfunden: Er will Grenzen überwinden und neue Kontinente und Kulturen erkunden. Bei seinen Bonner Gastspielen in der Oper am Freitag und Sonntag spielt er mit dem Beethoven Orchester unter der Leitung von Dirk Kaftan ein Schlagzeugkonzert des chinesischen Komponisten Tan Dun. Christoph Forsthoff hat den 35-Jährigen getroffen.

Martin Grubinger Superstar – spielen Sie in einer eigenen Liga, wie manch Kritiker schwärmt?

Martin Grubinger: (lacht) Schön, wenn es so wäre… nein, das waren dann vielleicht besonders gelungene Konzerte, aber jeden Tag glückt mir das auch nicht. Auch ich kenne Aufs und Abs in meinem Musikerleben, obschon ich natürlich immer versuche die Konzertbesucher nicht zu enttäuschen, die oft ja auch viel Geld bezahlt haben. Auch manchmal passiert das leider eben doch…

…tatsächlich?

Grubinger: Ja – Sie selbst haben vor einiger Zeit mal eine sehr deutliche Kritik über ein Konzert von mir mit Thomas Hampson geschrieben: Da war ich ganz Ihrer Meinung – und da muss man dann auch kritisch mit sich selbst sein. Das hören Sie wahrscheinlich selten, dass ein Künstler sagt, das war ein schlechtes Konzert (lacht)…

…ja, das äußern Musiker normalerweise nicht über sich.

Grubinger: Aber es war ein schlechtes Konzert – und Gott sei Dank habt ihr von der Presse uns da die Leviten gelesen. Da muss man sich selbst gegenüber auch die Härte haben und sagen: Das haben wir falsch gemacht, wir müssen konsequenter, intensiver und disziplinierter arbeiten und schonungslos besprechen, wie wir es anders machen. Und das habe ich dann mit Thomas auch gemacht, wir haben dieses Projekt umgebaut und aus dieser Schelte die Lehren gezogen.

In der Regel indes jubeln Publikum und Kritiker bei Ihren Auftritten, sehen in Ihnen mehr als einen Schlagzeuger, nämlich einen Klangperformer – trifft das Ihre künstlerische Idee?

Grubinger: Oft heißt es ja beim Schlagzeug, das sei ein bisschen trommeln. Ich würde mir wünschen, dass die Leute irgendwann sagen: Ich habe Farben erlebt und etwas entdeckt, das ich so noch nie mit dem Schlagzeug assoziiert habe. Dass wir etwa einen Klanghauch in den Saal zaubern oder man nicht mehr den Anschlag hört, sondern wir den Marimba-Klang durch den Schlegel und die Saalakustik in einen Orgelakkord verwandeln.

Lässt sich solch ein Klangeindruck tatsächlich erreichen?

Grubinger: Es gibt da viele Möglichkeiten – sei es über den Anschlag, die verwendeten Instrumente, die Schlegel oder die Art des Spiels. Es geht einfach um einen größtmöglichen Farbenreichtum, damit das Publikum merkt: Das sind nicht nur Schlagzeuger, sondern die haben sich tatsächlich überlegt, wie sie noch die eine oder andere Nuance hinzufügen können in die Farbpalette des Schlagzeugs.

Aber ist solch ein klingendes Schlaginstrument am Ende nicht die Ausnahme?

Grubinger: Natürlich muss es manchmal auch einfach nur der Groove sein – aber es gibt gerade bei den melodischen Schlaginstrumenten viele Stellen, wo man die Rhythmik völlig außen vor- und einfach nur den Klang an sich passieren lässt. Und der Zuhörer keinen Schlag hört, sondern nur einen Hauch.

Letzteres passt zu der erotischen Dimension, die mancher in Ihrem Spiel zu entdecken glaubt – zu viel der Schwärmerei? Oder lesen Sie Kritiken ohnehin nicht mehr?

Grubinger: (lacht) Doch schon – ich habe ja auch Ihre gelesen. Allerdings kann ich das mit der Erotik nur schwer nachvollziehen… Ich habe ganz sicher kein erotisches Verhältnis zu meinen Instrumenten, sondern eher eine kollegial-kumpelhafte, freundschaftliche Beziehung. Gemeinsam sind wir eher auf einer Mission, als dass man von Liebe sprechen sollte.

Das Freitagskonzert des Beethoven Orchesters am 8. Juni, 20 Uhr, mit Tan Duns Konzert für Schlagzeug und Orchester („The Tears of Nature“) und Igor Strawinskis „Feuervogel“ im Bonner Opernhaus ist bis auf wenige Restkarten ausverkauft. In der Reihe „Im Spiegel“ im Opernhaus spielt Grubinger das Konzert von Tan Dun am Sonntag, 10. Juni, 11 Uhr, noch einmal und ist außerdem im Gespräch mit Generalmusikdirektor Dirk Kaftan zu erleben. Strawinskis „Feuervogel“ erkingt in der Matinee in auszügen. Für das „Spiegel“-Konzert gibt es noch Karten, u.a. bei Bonnticket.

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