Melodien fürs Herz

José Carreras eröffnet mit einem umjubelten Liederabend die "spanischen Wochen" in Köln - Es folgen noch Plácido Domingo und Montserrat Caballé

Köln. Wenn in der Philharmonie, wo Fotografieren in der Regel verboten ist, ein Blitzlichtgewitter anhebt, muss es sich um ein Event handeln. Das Publikum erhob sich am Mittwoch applaudierend, überreichte dem schmalen, gut aussehenden, sympathischen José Carreras Blumen und Geschenke. Eine Veranstaltung so richtig fürs Herz, mit einem italienisch-spanischen Liederprogramm, bei dem die Melodien flossen, Klavierarpeggien (Lorenzo Bavaj) wie Wasserfälle sprudelten, ein Streicherensemble (Nuovo Quartetto Italiano) sämiges Sentiment beisteuerte, Gitarre und Mandoline kolorierten.

Carreras machte den Anfang bei den derzeitigen Kölner Auftritten spanischer Künstler; es folgen Plácido Domingo (6. März, Kölnarena) und - aus der Philharmonie nicht mehr wegzudenken - Montserrat Caballé (13. März). Die Künstler haben alle miteinander zu tun. Madame Caballé förderte den jungen Carreras und ist oft mit ihm aufgetreten. Domingo gehört mit Pavarotti und Carreras zum Team der "Drei Tenöre". Alle Genannten sind in einem Alter, bei dem sich die Frage nach einer - noch wie langen - musikalischen Zukunft notgedrungen stellt.

José Carreras, mit seinen 57 der Jüngste, hat bekundet, dass er einstweilen aktiv zu bleiben gedenke. Willensstärke hat ihm ja auch geholfen, jene schreckliche Leukämieerkrankung, die 1987 seiner Karriere, ja seinem Leben, ein Ende zu bereiten schien, zu überwinden. Eine Einspielung von Halévys Oper "Die Jüdin" hält diese Zäsur fest: begonnen 1986, vollendet 1989. Obwohl Konzertsaal oder Stadion für Carreras inzwischen mehr Heimat geworden zu sein scheinen, hat sich der Sänger Herausforderungen der Bühne weiterhin gestellt.

1989 kreierte er die für ihn geschriebene Oper "Cristobal Colón" von Lonardo Balada, in den letzten Jahren hat er sich die anspruchsvolle Titelpartie von Ermanno Wolf-Ferraris "Sly" erobert, die auf CD sicher eine wichtigere Dokumentation darstellt als das vorab im Studio eingespielte und hallgestylte Kölner Programm. Der "Sly"-Schlussakt wie auch das Finale von Bizets "Carmen" (mit der langjährigen Partnerin Agnes Baltsa) waren vor kurzem (szenischer) Gegenstand bei einer Wiener Gala, die das Staatsopern-Debüt von José Carreras vor dreißig Jahren feierte. Da machten sogar die Wiener Philharmoniker mit.

Das Kölner Konzert, das auch noch in Kiel, Frankfurt, Berlin, Hamburg und Saabrücken zu hören sein wird, stellte nicht die Anforderungen eines Opernabends, der Tonumfang der gebotenen Lieder war begrenzt, ging über das (schon etwas erkämpfte) eingestrichene "A" nicht hinaus. Das Timbre von Carreras besitzt eine gewachsene männlich-kernige Farbe, die Stimme fühlt sich in der direkten Emphase fraglos wohler als um Piano, das mitunter etwas künstlich anmutet. Aber den Tonfall einer leicht elegisch getönten Leidenschaft traf José Carreras sehr wohl. Frenetischer Jubel in der Philharmonie.

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