Michael Lippold inszeniert "Böses Mädchen" in der Werkstatt

Mit dem Stück hat der Autor Lothar Kittstein ein spannungsvolles Stück der Andeutungen, Rätsel und Fragen geschrieben. Es dreht sich um Macht und Missbrauch, körperliche und seelische Verletzungen und ihre Folgen.

 Der Vater und sein böses Mädchen? Wer weiß. Birte Schrein und Wolfgang Rüter in einem Stück der Andeutungen, Rätsel und Fragen.

Der Vater und sein böses Mädchen? Wer weiß. Birte Schrein und Wolfgang Rüter in einem Stück der Andeutungen, Rätsel und Fragen.

Foto: Thilo Beu

Bonn. Wer bist du - und wenn ja, wie viele? Diese Frage ist wie geschaffen für die Frau, die Birte Schrein in dem Stück "Böses Mädchen" verkörpert. Michael Lippold hat Lothar Kittsteins neues Drama in der Werkstatt inszeniert.

Es erzählt die Geschichte einer anonym bleibenden Frau, die in das Haus eines alten Mannes (Wolfgang Rüter) zurückkehrt, wahrscheinlich ist er ihr Vater. Birte Schreins Figur hat ihre Tochter (Philine Bührer) im Schlepptau. Oder etwa nicht? Ist die Tochter, in deren Schuhe die Mutter einmal schlüpft, Wirklichkeit oder Illusion oder Projektion? Begegnet die Frau im Haus des Alten ihrer Kindheit und Jugend?

Karten Karten im GA-Ticket-Shop. Die nächsten Aufführungen gibt es am 1., 3., 8., 10., 13. und 19. Februar.Anne Brüssel hat eine großzügige Wohnlandschaft in der Werkstatt aufgebaut. Das Haus ist allerdings heruntergekommen, es tropft in Schüsseln und Töpfe, so wie in Harold Pinters "Hausmeister". Auch der Mann hat gelitten, er ist noch kraftvoll, kommt aber aus seinem Sessel nicht mehr hoch auf die Beine. Der Autor Lothar Kittstein hat ein spannungsvolles Stück der Andeutungen, Rätsel und Fragen geschrieben. Es dreht sich um Macht und Missbrauch, körperliche und seelische Verletzungen und ihre Folgen. Regisseur Michael Lippold versteckt sich nun nicht verdruckst hinter der offenen Poesie der literarischen Vorlage. Er verortet die Figuren, die zwischen Traum und Trance agieren, in der Wirklichkeit.

Wolfgang Rüters Mann, scharfsinnig, scharfzüngig und ein bisschen boshaft, gewinnt etwas unangenehm Lauerndes, Raubtierhaftes, wenn er die lolitahaften Posen seiner Enkelin (?) beobachtet. Birte Schrein, die Frau, hat somnambule Momente, in denen sie, dem Hier und Jetzt entrückt, in den alten Zeiten versinkt. Der Abend hat seine poetischen Effekte.

Umso schockierender ihre furiosen Ausbrüche und Gefühlsexplosionen, wenn Wunden aufreißen, die das frühere Zusammenleben mit dem Mann hinterlassen haben. Wenn sie ihm nahekommt, empfindet sie einmal so etwas wie Lust, in vielen Momenten jedoch nur Mordlust. Zusammen mit Philine Bührers Mädchen raubt sie dem Mann in einer Szene regelrecht die Luft zum Atmen; da liegt Gewalt in der Luft. Am Ende bleibt nur eine Kinderpuppe, halb zerfetzt, auf der Strecke.

Gewalt ist Thema des Stückes und der Inszenierung. Wo Kittstein es bei Andeutungen belässt, deutet Regisseur Lippold konkret. Das häufige Gerede von Waschen und Abschrubben übersetzt er in eine kurze, aber heftige Haarwasch-Szene. Am eindrücklichsten wirkt der Moment, in dem Mutter und Tochter die Rollen tauschen, übergangslos die Jüngere herrisch und kühl erscheint und die Ältere kindlich verloren dasitzt. Die Szene illustriert, dass die Zeit hier keine Wunden heilt und die Verletzungen von einst in die Gegenwart fortwirken.

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