Konzert im Beethoven-Haus Bonn Michael Steven Brown brilliert und fesselt
Bonn · Der Pianist spielt im Beethoven-Haus auf
Es hätte was werden können mit den beiden: dem jungen Komponisten und der noch etwas jüngeren „Clavierspielerin“. 1825 begegnete der 16-jährige Felix Mendelssohn-Bartholdy der vier Jahre jüngeren Delphine von Schauroth zum ersten Mal, fünf Jahre später traf er sie erneut und war sowohl vom hochmusikalischen Klavierspiel der jungen Adeligen wie auch von ihrem bezaubernden Äußeren entflammt.
„Wir raspelten grässlich“, schrieb Felix an seine Schwester, worunter man sich wohl heftiges Flirten im gehobenen Konversationston vorstellen darf. Was folgte, waren Briefe, gegenseitige Widmungen von Kompositionen und eine schließlich unerfüllte Leidenschaft. Felix heiratete eine andere, Delphine trat dreimal vor den Traualtar und ließ sich dreimal wieder scheiden. Felix wurde berühmt, über Delphine spricht kaum noch jemand.
Drei „Lieder ohne Worte“
Falls jemand daraus eine rührselige Schmonzette oder ein anklagendes Drama über das tragische Scheitern von künstlerisch ambitionierten Frauen drehen will – die Filmmusik ist schon mal da. Zum Beispiel mit Schauroths drei „Liedern ohne Worte“, mit denen Michel Stephen Brown sein Konzert im Kammermusiksaal eröffnete. Delphine komponierte sie im genannten Jahr 1830, und man kann heute nur noch ahnen, welche ganz persönlichen Gefühle sie in diese Miniaturen hineingeheimnist hat.
Mit filigranem und sensiblem Spiel zeichnete Brown die mal zarten, mal leidenschaftlichen Melodien nach, die sich in abwechslungsreichen Figurationen verbergen. Michael Stephen Brown ist ein bekennender Mendelssohn-Liebhaber. Aktuell beschäftigt ihn die Gesamtaufnahme der Klavierwerke des Leipzigers. Willkommene Nebenprodukte davon sind Weltersteinspielungen der Werke von Delphine von Schauroth.
Ein eloquenter Moderator
Brown ist ein hellwacher Kopf, der sein Konzert mit eloquenten und amüsanten Moderationen auflockerte. Sein fabelhaftes pianistisches Können, das er an der renommierten Juillard-School in New York erwarb, stellt er gern in den Dienst ausgefallener Programme, etwa mit Mendelssohns selten aufgeführten „Sechs Präludien und Fugen op.35“, die das ehrwürdige Barockvorbild romantisieren. Manches Präludium rutscht in „Lied ohne Worte“-Wendungen, eine Fuge endet mit einem Choral, andere klingen phasenweise wie Bruchstücke aus Sonaten.
Brown spielte fesselnd, stellte die Kontraste heraus, lotete Satzstrukturen aufs Genaueste aus. Gleiches gilt für seine Lesart der Beethovenschen Variationen op.35. Die gelangen brillant, mit Gespür für den typischen trotzigen Humor, mit überlegener Virtuosität, aber auch mit Sensorium für die Vorahnungen des Spätwerks, die diese Variationenfolge weit über zeitgenössische Dutzendware hinausheben. Aus Browns eigener Feder stammte die „Breakup Etude“ für rechte Hand allein: ein circensisches Klangbad aus Debussy, Satie und Modern Jazz. „What is it all for?“ fragt der Pianist am Schluss selbstironisch. Nun, auf jeden Fall gut für niveauvolle Unterhaltung.